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Freitag, 9. Oktober 2015

Auf die Zukunft in Oberberg freuen

Wiehl. Fünf Tage und acht Stunden mit einem Schlauchboot und 80 weiteren Menschen von der Türkei nach Italien. Ohne Nahrung, mit wenig Wasser. Im Gepäck nur einen Gedanken: die Hoffnung auf ein besseres Leben. Eine Fahrt ins Ungewisse für die sechsköpfige Familie Al-Zoebi aus der syrischen Stadt Al-Kahtania. Das war 2012. Heute leben sie in Wiehl, aus der sechsköpfigen ist eine elfköpfige Familie geworden. Unserer Zeitung haben sie ihre Geschichte erzählt.
Dass ihre Namen und auch der ihrer engsten deutschen Vertrauten und Helferin ungenannt bleiben sollen (alle Namen geändert), ist der Angst geschuldet, die die Familie bis heute hat, und der Bescheidenheit ihrer Helferin. Vor drei Jahren entscheidenden Schritt gewagt Vor drei Jahren wagte die Familie den entscheidenden Schritt, ihre Heimat zu verlassen. Sie mussten es tun, sagen sie. Die Zustände in Al-Kahtania wurden immer lebensbedrohlicher. Also fassten sie den Entschluss: Wir fliehen nach Deutschland. Geld hatten sie damals kaum. Der Vater Faruk Al-Zoebi ernährte seine Frau und seine vier Kinder durch Taxifahren. Sie begannen zu sparen, wo sie konnten, liehen sich Geld von Freunden und Verwandten und verkauften schließlich das Auto. "Die Fahrt war sehr teuer", erzählt der mittlerweile 30-jährige Familienvater. Wie teuer, das möchte er nicht sagen. Die sechs machten sich auf die beschwerliche Reise. Die Kinder waren damals sieben, fünf und drei Jahre alt, der kleine Akam noch kein Jahr. Platz gab es an Bord des Schiffes kaum. Sie verbrachten beinahe sechs Tage völlig eingeengt. Die Schiffspassage nach Italien überstanden sie und die anderen Passagiere lebend - keine Selbstverständlichkeit. Nach einer wochenlangen Odyssee landeten sie in Oberberg hielten sie schließlich einen kleinen Zettel mit der Adresse des Wiehler Rathauses in Händen. Ein Landsmann rät der Familie, nach einem blonden Menschen zu suchen, denn die sprechen Deutsch und können helfen. An der Bushaltestelle suchen sie vergeblich, bis sich endlich eine ältere Dame ihrer annimmt und sie ins Rathaus begleitet. Dann geht alles sehr schnell. Konrad Gerards empfängt sie freundlich und organisiert die Unterbringung in einem Flüchtlingsheim. Er betreut Flüchtlinge in der Stadt Wiehl. Familie Al-Zoebi ist endlich angekommen. "Wir fühlten uns wie neu geboren", erzählt Faruk. Die Wiehlerin Regina B. möchte helfen. Sie verfolgt die Nachrichten von flüchtenden Menschen immer wieder. Sie arbeitet in Vollzeit, hat eine eigene Familie. Ihre Söhne sind erwachsen. Sie nimmt sich die Zeit, möchte etwas für Flüchtlingskinder tun und stellt sich der Stadt als Familienpatin zur Verfügung. Am nächsten Tag erfährt sie von Familie Al-Zoebi und der ältesten Tochter Roda, die sie von nun an unterstützen soll. Einmal in der Woche unterbricht sie ihre Arbeit, um Roda in der Offenen Ganztagsschule zu begleiten. Ihr Chef unterstützt B.s Engagement. Sie hilft Roda bei den Hausaufgaben und lernt mit ihr Deutsch. "Zu Beginn haben wir viel gespielt. Ich wollte, dass sie mir vertraut", erzählt Regina B. Sie lernt die Familie kennen und unterstützt sie, so gut sie kann. Sie hilft ihnen, besonders den Kindern, den deutschen Alltag kennenzulernen. Familie Al-Zoebi ist dankbar für jede Hilfe, besonders die Bürokratie macht ihnen zu schaffen. "Es gibt so unendlich viele Zettel, und wir wussten gar nicht, was wir damit machen sollten. Ich habe sogar die Arbeitsblätter meiner Tochter falsch gelocht. Wir kennen das alles aus Syrien nicht", erzählt Irosha. Die Wiehlerin hilft bei all den Anträgen und Formularen. Sie erklärt, was wichtig ist und dass eine Unterschrift manches verbindlich macht. Inzwischen ist auch Faruks Mutter mit seinen drei Geschwistern nach Deutschland gekommen, und sein Vater soll auch bald kommen. Die elfköpfige Familie sucht eine Wohnung. "Für die Kinder war die Flüchtlingsunterkunft nicht das richtige Zuhause, sie konnten hier nicht gut lernen, es war oft laut und sehr eng", erzählt Faruk. Es dauert zwei Jahre, bis sie endlich eine Wohnung gefunden haben, in der alle elf zusammen wohnen können. Der Vermieter kennt die Situation, ist selbst geflohen im Zweiten Weltkrieg. Nun hat die syrische Familie ihr eigenes kleines Zuhause. Die Nachbarn begegnen ihnen freundlich. Man grillt zusammen. Regelmäßig bringen sie Kleidung und Spielzeug. "Einmal habe ich Regina beim Einkaufen getroffen, und wir verabschiedeten uns. Regina sagte dann ,Einen schönen Abend noch'. Das habe ich nicht verstanden. Sie hat mir erklärt, was es bedeutet, und seitdem weiß ich, dass es dazugehört zu einer Verabschiedung", erzählt Irosha. Deutsch zu lernen ist besonders für sie schwer. Sie ist zu Hause mit den Kindern, aber sie versucht zu üben, wo es nur geht. Wenn sie neue Wörter aufschnappt, notiert sie diese auf einem Zettel, der immer am Kühlschrank hängt. Wenn die Kinder aus der Schule kommen, müssen sie übersetzen, damit sie weiter üben kann. Inzwischen spricht sie gut Deutsch, auch wenn sie noch Hemmungen hat. "Ich will am liebsten meine alte Sprache vergessen und nur noch Deutsch sprechen und denken", schwärmt sie. Zwischen Familie Al-Zoebi und Regina B. sowie ihrer Familie ist eine Freundschaft entstanden. Sie grillen zusammen, waren auch schon gemeinsam im Zoo. "Für mich ist das eine solche Bereicherung", erzählt B. "Und ich habe die Gastfreundschaft der Familie immer sehr bewundert. Ich werde immer wieder eingeladen, mit ihnen zu essen und den köstlichen Chai-Tee zu trinken. Und natürlich ist es toll zu sehen, wenn die Kinder in der Schule gut zurecht kommen und versetzt werden." Für sie ist es selbstverständlich zu helfen. Berührungsängste hat es nicht gegeben Sie ist eine Macherin und hat nicht lange darüber nachgedacht, was diese Aufgabe bedeutet. Sie hat einfach losgelegt. Berührungsängste gab es auf beiden Seiten nicht. "Es hat einfach gut gepasst," da sind sich alle einig. Mittlerweile haben die Eltern Deutschkurse gemacht und verinnerlichen die Sprache immer mehr. Faruk hat seinen Führerschein in der Tasche und sucht nach einer Arbeit. Vielleicht macht er eine Ausbildung. Elektrotechnik interessiert ihn. Die Kinder sind in Schulen und Kindergärten gut untergebracht und lernen den deutschen Alltag kennen. "Wir sind sehr glücklich, dass die Kinder hier etwas lernen können, und wünschen uns, in Freiheit und ohne Krieg leben zu können", erzählt die Familie. Alle freuen sich auf ihre Zukunft in Oberberg.

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