LIMA. Wolfgang Schäuble holt tief Luft, windet sich und sagt: "Solche Fragen sollten Sie einem Finanzminister in einer Pressekonferenz nicht stellen." Um dann gleich nachzuschieben. "Und außerdem ist das ja Sache der EU-Kommission."
Die Frage am Rande der Tagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank in Lima lautete konkret: Wird es in Europa eine Art "Flüchtlings-Soli" - etwa über einen Aufschlag auf die Mehrwert- oder Mineralölsteuer - geben, um das EU-Budget aufzustocken und so Kosten der Flüchtlingskrise zu meistern?
Schäuble äußert sich alles andere als klar. Nimmt aber zumindest das Wort "Steuern" nicht in den Mund, spricht von europäischen Lösungen und betont: "In Deutschland haben wir fiskalischen Spielraum." Andere in Europa hätten aber möglicherweise nicht ganz so viel: "Und trotzdem muss das Problem gelöst werden." Zusätzlicher Finanzbedarf aber werde nicht allein aus dem mittelfristigen Budgetrahmen der EU zu bedienen sein.
Was Schäuble letztlich meint: Sollte die EU mehr Geld brauchen, um Flüchtlingslager rund um Syrien, Maßnahmen an den EU-Außengrenzen oder neue Verteillager zu finanzieren, könnte Deutschland das aus dem Haushalt stemmen - notfalls über neue Schulden. Aber nicht über höhere Steuern oder Sonderabgaben. Im Kanzleramt war man über die aus Lima eintrudelnden unklaren Schäuble-Aussagen wohl wenig erfreut. Rasch ließ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über Regierungssprecher Steffen Seibert klarstellen: "Es bleibt dabei: Weder wollen wir Steuererhöhungen in Deutschland noch wollen wir die Einführung einer EU-Steuer." Die prompte Reaktion ist sicher auch Folge des Dauerärgers mit der CSU. Nur keine neue Front aufmachen. Gilt doch das Wahlkampf-Versprechen von CDU/CSU: Keine Steuererhöhungen bis 2017.
Dabei spricht Schäuble nur das aus, was andere bisher meiden: Um den Flüchtlingsstrom nach Deutschland einzudämmen, muss mehr Geld als Unterstützung für andere Länder in die Hand genommen werden - für Griechenland, die Türkei, den Libanon und Jordanien. Und Schäubles zweite Ansage: Das Thema muss jetzt erörtert werden.
Beim Treffen der Finanzelite wird das längst getan. Vor allem in der "Sala Lima 1" - es wirkt wie eine Krisensitzung zur Lage im Mittleren Osten. Wie ernst diese ist, zeigt die Anwesenheit von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und von Weltbank-Präsident Jim Yong Kim. Dutzende Minister und Staatssekretäre aus der ganzen Welt sitzen hier, um über die Flüchtlingskrise zu beraten.
"Wir haben bei uns 1,7 Millionen Flüchtlinge bei vier Millionen Einwohnern", betont der Generaldirektor des libanesischen Finanzministeriums, Alain Bifani. Das entspräche 40 Prozent der eigenen Bevölkerung. Ein paar Millionen helfen da nicht weiter, man brauche mehr Schulen, Krankenhäuser, Unterkünfte. "Wenn uns nicht stärker geholfen wird, gehen die Flüchtlinge woanders hin." Genau das müssen Schäuble und Merkel fürchten.
Der Weltbank-Präsident hat eine Idee. Zusammen mit der Islamischen Entwicklungsbank soll eine Sonderanleihe aufgelegt werden, um die Krisenregion wirtschaftlich zu stärken. Und um Nachbarländern Syriens wie Jordanien und dem Libanon zu helfen, damit die Flüchtlinge bessere Bedingungen bekommen.
Ban Ki-Moon betont, zehn Millionen Menschen benötigten dringend humanitäre Hilfe in Syrien und den angrenzenden Staaten. Weltbank-Präsident Kim schätzt die Kosten durch die Zerstörungen des Krieges nur in Syrien auf 170 Milliarden Dollar - gibt es hier irgendwann Frieden, müssen für den Wiederaufbau noch einmal große Summen mobilisiert werden. (dpa)
UMFRAGE: RÜCKHALT FÜR MERKEL SCHWINDET
Im Zuge der Flüchtlingsdebatte sind die Werte für die Union in der Wählergunst einem Bericht zufolge auf den niedrigsten Stand seit der Bundestagswahl gefallen. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der "Bild am Sonntag" verlor die Union zwei Prozentpunkte und kam auf 38 Prozent. Den Umgang von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der Flüchtlingskrise halten demnach 48 Prozent der Deutschen für falsch und 38 Prozent für richtig. Bei den Unions-Anhängern beträgt der Rückhalt für die Kanzlerin 67 Prozent. Jeder vierte Unions-Wähler (25 Prozent) hält Merkels Kurs für falsch.
Eine Mehrheit von 50 Prozent teilt allerdings der Umfrage zufolge die Auffassung Merkels, dass Deutschland die Krise bewältigen werde. 76 Prozent halten es für nicht realistisch, dass sich Deutschland gegen Flüchtlinge abschotten kann.
- wie die Politik ein ernsthaftes Problem in unverantwortlicher Weise zur Herausforderung umettikettiert und zur Chance schönredet.
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