Stichworte

1945 Abschiebung AfD Afghanistan Afrika Albanien Algerien Alltag Amok Angst Ankerzentrum Anschlag Araber Arbeit Arbeitslosigkeit Armut Asylbewerber Asylrecht Ausbildung Australien Baden-Württemberg Balkan Bayern Belgien Bergneustadt Berlin Betrug Bevölkerung Bildung BKA Bonn Brandstiftung Braunschweig BRD Bulgarien Bundespolizei Bundespräsident Bundeswehr CDU Clan CSU Dänemark Demographie Demonstration Desinformation Diskussion Drogen Dublin-Abkommen Duisburg Düsseldorf Ehre Einwanderungsgesetz England Enteignung Eritrea EU Familie Fazit Flucht Flüchtlinge Frankfurt Frankreich Gabriel Gefängnis Gericht Geschichte Gesetz Gesundheit Gewalt Grenzsicherung Griechenland Großbritannien Grüne Hamburg Helfer Hessen Hilfe Hotspot Hunger Integration Irak Iran IS Islam Israel Italien Jugendliche Kanada Katastrophe Kinder Kindergeld Kirche Klima Köln Konkurrenz Kontrolle Körperverletzung Kosovo Kosten Krankheit Krieg Kriminalität Kritik Kroatien Kultur Kurden Leserbrief Libanesen Lüge Lybien Marokko Mazedonien Medien Merkel Messer Mexiko Migranten Mittelmeer Mord negativ Niederlande Niedersachsen Nordafrikaner Notunterkunft NRW Obdachlose Oberberg Opfer Österreich Osteuropa Palästinenser Pflege Politik Polizei Presse Problem Quote Raub Rechtsextremismus Regierung Registrierung Religion Roma Route Rückkehr Ruhrgebiet Rumänien Ründeroth Russland-Deutsche Salafisten Saudi Arabien Saudi-Arabien Scheitern Schleswig-Holstein Schleuser Schule Schulpflicht Schweden Schweiz Seehofer Seenotrettung Serbien Slowenien Sozialleistungen Spanien SPD Spenden Sprache Statistik Steuer Studie Südosteuropa Syrien Tafel Terror Toleranz Totschlag Tradition Tunesien Türkei Türken Umfrage UN Ungarn Urteil USA Vergewaltigung Vertreibung Vorurteile Wachstum Wahlen Waldbröl Werte Willkommenskultur Wirtschaft Wohnraum Zuwanderung

Dienstag, 6. Oktober 2015

Strom der Flüchtlinge reißt nicht ab

Vor einem Monat lösten Fotos des ertrunkenen Flüchtlingsjungen Aylan weltweit Mitgefühl und Empörung aus. Zwar haben andere Themen das Schicksal der Flüchtlinge am östlichen Rand Europas inzwischen aus den Schlagzeilen verdrängt. Doch der Strom der Menschen, die Richtung Norden und Westen ziehen, reißt nicht ab. Hilfsorganisationen bereiten sich darauf vor, dass er im Winter anhalten wird, wenn die Temperaturen entlang der Route unter den Gefrierpunkt fallen. Sie befürchten, dass sich die Krise dann verschärft.
"Eines ist klar: Die Entwicklung wird nicht abklingen", sagt Babar Baloch, der Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR auf dem Balkan. "Was wir gerade sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs." Während in diesem Jahr bislang mehr als eine halbe Million Menschen über das Mittelmeer nach Europa gekommen sind - mehr als doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2014 -, ist dies nur ein Bruchteil der Menschen, die unterwegs sind. Nach mehr als vier Jahren Bürgerkrieg in Syrien sind rund vier Millionen Menschen von dort geflohen, acht Millionen wurden innerhalb des Landes vertrieben. Und auch Iraker, Iraner, Afghanen und Eritreer sind auf der Flucht.
Die EU räumte das Ausmaß des Problems in der vergangenen Woche ein. Zuvor hatte sie einen Plan für verschärfte Grenzkontrollen gebilligt. Zudem sollen die Türkei, der Libanon und Jordanien mindestens eine Milliarde Euro zur Versorgung der Flüchtlinge in ihrem Land erhalten. Doch die ersten Maßnahmen an den Grenzen werden nicht vor November in Kraft treten, und ein Vorschlag zur Stärkung der europäischen Grenzbehörde wird für Dezember erwartet. "Kürzlich habe ich Flüchtlingslager in der Türkei und Jordanien besucht und nur eine Botschaft gehört: ,Wir sind entschlossen, nach Europa zu gelangen'", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach der Bekanntgabe der Vereinbarung. "Es ist klar, dass der größte Strom von Flüchtlingen und Migranten noch kommt." Zwar sprach der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, am Freitag von einem "merklichen Rückgang" der Zahl der Migranten, die Griechenland über das Meer erreichten - die Wetterverhältnisse hatten sich verschlechtert. Doch UNHCR-Sprecher Adrian Edwards sagte, "jede Wetterverbesserung bringt voraussichtlich eine weitere Welle von Ankömmlingen". 
Am Donnerstag trafen laut UNHCR rund 1500 Menschen in Griechenland ein, während es in den vergangenen Wochen täglich 5000 waren. Der Zustrom setzte ein, nachdem Geberländer Finanzhilfen für Organisationen kürzten, die syrische Flüchtlinge unterstützen. Das Welternährungsprogramm (WFP) sah sich laut Mitteilung vom August wegen Finanzierungslücken gezwungen, die Nahrungsmittelhilfe für 1,5 Millionen Flüchtlinge in Jordanien, dem Libanon, der Türkei, dem Irak und Ägypten um 50 Prozent zu kürzen. Die EU-Mitglieder kündigten an, die Finanzierung des WFP wiederherzustellen. Die Hilfe ist wichtig. Die meisten Flüchtlinge sind nicht in der Lage, sich in den Staaten im Nahen Osten, in denen sie Zuflucht gesucht haben, ein neues Leben aufzubauen, denn sie dürfen dort nicht arbeiten. Ihre Mittel schwinden zusehends, so dass nun sogar Menschen, die dies nie vorhatten, darüber nachdenken, nach Europa zu gehen. "Es gibt keinerlei Hoffnung, deshalb erscheint es als die einzige Option, sich auf den Weg zu machen", sagt UNHCR-Vertreter Baloch. "Hier könnte ein Exodus stattfinden." 
Da ist zum Beispiel Safer, ein syrischer Flüchtling. Der 43-Jährige floh nach Istanbul und überlegt nun, nach Europa zu gehen. Ermutigt wird er von einem Freund, der in Deutschland ist. "Ich sorge mich um die Ausbildung meiner Kinder. Jetzt sind sie noch jung, aber was passiert später, wenn sie älter sind? Ich mache mir Sorgen." Hilfsorganisationen sagen, es sei fast, als ob eine Botschaft verbreitet worden sei: Jetzt oder nie. "Unter normalen Verhältnissen denkst du zwei Mal darüber nach, das Mittelmeer mit deinen Kindern zu überqueren", sagt Gianluca Rocco, Balkankoordinator der Internationalen Organisation für Migration. "Aber jetzt gehst du mit dem Strom. Der Strom ist da, und er bewegt sich sehr schnell." 
 In der gesamten Region bemühen sich Hilfsorganisationen, mit dem Zustrom der Menschen Schritt zu halten, insbesondere angesichts des nahenden Winters. "Es wird noch viel kälter werden, und die Bereitstellung von angemessenen Unterkünften reicht nicht annähernd aus für die Zahl der Menschen, die jeden Tag nach Serbien gelangen", sagt Meinie Nicolai, Präsidentin von Ärzte ohne Grenzen. In Mazedonien installieren die Behörden im Flüchtlingslager Gevgelija in Zelten Böden und Heizungen, Hilfsorganisationen werden warme Kleidung und Decken zur Verfügung stellen. "Die Bedingungen und Kapazitäten für Flüchtlinge hängen vom Budget ab", sagt Ivo Kotevski, ein Polizeisprecher. "Wir bitten um Unterstützung." Aus den sozialen Medien wissen die Flüchtlinge, dass die geplanten neuen Maßnahmen an den EU-Außengrenzen möglicherweise im November in Kraft treten. Für potenzielle Asylbewerber ist dies eine Frist, die sie erst recht antreiben könnte. Dann wäre der Zustrom der vergangenen Wochen lediglich das Vorspiel für einen noch gewaltigeren Ansturm von Menschen gewesen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen