DEIR SANUN. Zwei Frauen fliehen aus Syrien, weil der Bürgerkrieg alles zerstört hat, was ihnen in ihrer Heimat lieb und teuer war. Die 25-jährige Rim Helal findet zunächst im Libanon Unterschlupf, die 43 Jahre alte Amena Abomosa in Jordanien. Beide setzen ihre verzweifelte Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa. Doch nur eine von beiden schafft es.
Amena Abomosa hat mit drei Kindern und ein paar Habseligkeiten die jordanische Hauptstadt Amman erreicht. Ein Stapel Dokumente erzählt die Tragödie der 43-Jährigen. Der Krieg traf ihre Familie am 20. Juli 2012. An diesem Tag entdeckt ihr Mann Abdul Rassak Mardini inmitten wüster Straßenkämpfe in Damaskus ein verletztes Kind. Mardini stoppt und will helfen. Ein Heckenschütze streckt ihn nieder. Kind und Helfer sterben. Die Bilder des Vorfalls gehen um die Welt.
Kurz darauf hämmern Regierungssoldaten an Abomosas Haustür. Sie hätten gesagt, ihr Mann sei ein Terrorist, erzählt die Witwe. Sie seien immer wieder gekommen und hätten sie gezwungen, ein Dokument zu unterschreiben, in dem sie erklärt, Mardini sei eines natürlichen Todes gestorben. Als sie weiter von Sicherheitskräften der Regierung drangsaliert wird, flieht Abomosa zu Freunden. Einen Monat später verkauft sie ihren Schmuck. Mit dem Geld besticht sie syrische Grenzposten und flieht ins Nachbarland Jordanien. Dort kann sie sich gerade noch eine Dachkammer leisten.
Damit hat sie aber immer noch ein besseres Los erwischt als Rim Helal. Die 25-Jährige hockt in der libanesischen Bekaa-Ebene in einem Zelt, den erkälteten Sohn Mohammed auf dem Schoß. Medizin kann sie sich nicht leisten. Auch das Essen wird knapp. Das Welternährungsprogramm hat so wenig Geld, dass es Hunderttausenden Flüchtlingen die Nahrungsmittelgutscheine streichen musste. Helal und Abomosa sind nur zwei von vier Millionen Syrern, die der Bürgerkrieg über die Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien verstreut hat. Die Kämpfe toben auch im fünften Kriegsjahr unvermindert.
Der Libanon hat mehr als 1,1 Millionen Syrer aufgenommen. Das entspricht einem Viertel seiner Einwohnerzahl. Würde Deutschland eine vergleichbare Quote akzeptieren, wären das 20 Millionen Migranten. Die Zahl stellt den Libanon vor kaum lösbare Probleme. Offizielle Flüchtlingslager gibt es nicht.
So etwas wie eine Wohnung können sich nur Wohlhabende leisten. Die Armen fristen ihr Dasein wie Helal mit Unterstützung von Hilfsorganisationen. "Wir haben genug von diesem Leben", sagt sie. Seit drei Jahren hausen sie und ihr Mann in einem Behelfslager. Abomosa geht es in Jordanien zwar etwas besser, aber weil sie studiert hat, bekommt sie vom UN-Flüchtlingshilfswerk keine Unterstützung. Für ihre Kinder erhielt sie zwar eine Zeit lang Nahrungsgutscheine, doch als das Welternährungsprogramm seine Leistungen zusammenstrich, verlor sie auch diese Hilfe.
Wer kann, versucht irgendwie nach Europa weiterzukommen. "Wir sind bereit, Risiken einzugehen", sagt Helal. "Vielleicht ist das Leben dort besser als hier." Das ist allerdings nur mit Hilfe von Schleusern zu schaffen und die kosten Geld. In Beirut stehen Migranten Schlange für ein Visum nach Deutschland. Es kann Monate dauern, bis der Antrag bearbeitet ist. Die Erfolgschancen sind ungewiss.
Abomosa hat sich dagegen für eine direkte Übersiedlung nach Frankreich beworben - mit wenig Aussicht auf Erfolg. Aber die vier Ordner mit Dokumenten zum Tod ihres Mannes, den Schikanen der Sicherheitskräfte und der Krankheit ihrer Mutter hätten dann wohl doch Eindruck gemacht, erzählt sie. Im Februar eröffnete ihr die Botschaft, sie könne nach Frankreich. Jetzt packt ihre Sachen für den Flug über das Mittelmeer, Schmuggler muss sie nicht bezahlen. (ap)
Amena Abomosa darf nach Frankreich ausreisen, Rim Helal mit ihrem Sohn Mohammed muss im Libanon bleiben. (Fotos: ap)
- wie die Politik ein ernsthaftes Problem in unverantwortlicher Weise zur Herausforderung umettikettiert und zur Chance schönredet.
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