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Mittwoch, 30. September 2015

Flüchtlinge als Wirtschaftsfaktor

Rhein-Berg. Es ist landauf, landab das gleiche Spiel. Händeringend suchen Kommunen nach Wohnraum für Flüchtlinge, nach sanitären Einrichtungen, nach Essenslieferanten und vieles mehr. Was auf der einen Seite eine enorme Belastung für die Haushalte darstellt, wandelt sich in Aufträge für Unternehmen. Ein kleines Konjunkturprogramm auch in Rhein-Berg. Auch mit Trittbrettfahrern, die an der Not verdienen wollen. So kennt die Bergisch Gladbacher Verwaltung inzwischen mehrere Immobilienbesitzer, die ihre Preise nach oben korrigieren, sobald eine Anfrage der Stadt vorliegt. Da werden aus einem Mietpreis von 890 Euro schnell 1500 Euro. Objekte, die jahrelang wie Blei im Angebot von Immobilienmaklern lagen, werden nun wieder interessant. Aber der Immobilienmarkt ist nur eine Facette. 
Andreas Kuhlen, bei ihm laufen in der Stadt Bergisch Gladbach die Fäden bei der Flüchtlingsversorgung zusammen, muss sich inzwischen fast jeden Tag mit Absagen und Verzögerungen herumschlagen. Kuhlen: "Vieles, was wir brauchen, ist im Augenblick gar nicht, oder wenn doch, dann nur in Wochen oder Monaten zu haben." Dabei greift Kuhlen auf ein bestehendes Netzwerk zurück. "Wir haben unsere Grossisten, mit denen wir zusammenarbeiten." Allerdings stamme diese Zusammenarbeit aus einer Zeit, als Bergisch Gladbach wenige Flüchtlinge hatte. Und 50 Stück weiße Bettwäsche sind leichter zu ordern als 400 - wenn Bettwäsche praktisch in jeder Kommune gesucht ist. Deshalb wird auch überlegt, ob man bei einigen Produkten nicht direkt zu Ikea fährt. Kuhlen verfolgt, wie die Preise praktisch täglich steigen. Er weiß auch, dass dagegen derzeit kein Kraut gewachsen ist. "Wir müssen die Flüchtlinge versorgen und haben dann keinerlei zeitlichen Spielraum. Wir nehmen, was wir kriegen." Kuhlen erinnert an die förmlich explodierenden Zahlen von Flüchtlingen. Und ein Ende sei ja nicht abzusehen. "Der Markt wird also immer enger." 
Weil es immer mehr Flüchtlinge gibt, müssen auch immer mehr Menschen angestellt werden, die sich um sie kümmern. Die Agentur für Arbeit steigt laut Pressesprecherin Regina Wallau intensiv in die Flüchtlingsbetreuung ein. "Erst heute haben wir eine neue Stelle für die Flüchtlingsversorgung geschaffen." Für sie ist klar: "Die Flüchtlinge sind definitiv ein Wirtschaftsfaktor." Sie wohnen, sie kaufen ein und irgendwann werden sie arbeiten - das wiederum braucht Menschen, die sie in Arbeit bringen. Weitere Einstellungen bei der Agentur für Arbeit sind geplant. Die neuen Stellen sollen die verschiedenen Anlaufstellen für Flüchtlinge koordinieren. Bei den jungen Flüchtlingen sieht Regina Wallau ein "großes Potenzial" für die Ausbildung.So wirkt sich der Andrang der Flüchtlinge ganz unterschiedlich auf verschiedene Wirtschaftssparten und Institutionen im Rheinisch-Bergischen Kreis aus. Einige Beispiele. 

Die Betreiber 
Auch beim Deutschen Roten Kreuz oder beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) werden neue Stellen geschaffen. Anne Paweldyk vom ASB ist in Rhein-Berg für zwei Unterkünfte zuständig, eine in Burscheid, eine in Untereschbach. Pro Unterkunft braucht der ASB laut Paweldyk einen Sozialarbeiter und weiteres Personal: vier Rettungshelfer, -sanitäter oder Krankenschwestern sowie vier weitere Personen. Paweldyk: "Dieses Personal brauchen wir - egal ob es um 50, 100 oder 250 Gäste geht." In den ASB-Einrichtungen gibt es zudem noch einen Sicherheitsdienst. Paweldyk: "Die sind immer zu zweit da und sollen sich im Hintergrund halten." Gegenwärtig laufe noch die schrittweise Umwandlung in eine Einrichtung im regulären Betrieb. Bis Ende dieser Woche hofft Paweldyk, mit den Bewerbungsgesprächen durch zu sein. Die Einstellungen erfolgten zunächst befristet auf ein halbes Jahr. Auf der Suche nach zusätzlichem Personal ist auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK), das gegenwärtig fünf Einrichtungen in Bergisch Gladbach, Rösrath und Wermelskirchen betreibt. Sprecherin Svenja Küppers: "Wir suchen Sozialarbeiter, hauswirtschaftliche und medizinische Fachkräfte." Bis gestern habe das DRK bereits 40 Personen neu eingestellt. Küppers: "Die brauchen wir auch, wenn Sie eine Betreuung von acht bis 22 Uhr sicherstellen wollen." 

Die Ausstatter 
Normalerweise stattet das Rösrather Unternehmen Jola.rent Filmsets aus. Doch jetzt sind allein 18 Fahrzeuge in der Nachbarschaft unterwegs. "Zelte, Toilettenwagen, Generatoren, Crewbusse, Kühlwagen, Rettungsbusse, Sattelauflieger, ja sogar fahrbare Waschsalons sind im Einsatz", zählt Geschäftsführer Joachim Langen auf. "Ja, es ist ein neues Geschäftsfeld für uns", bestätigt er. Auch Containeranlagen aus Südeuropa kauft das Unternehmen jetzt auf. Aber, darauf legt der engagierte Rösrather Wert: "Wir nehmen die gleichen Preise, die wir sonst auch nehmen." Die Versorger In Rösrath, Troisdorf-Sieglar, Hennef und Leverkusen versorgt der "Deka Integrationsbetrieb" Menschen in Erstaufnahme-Einrichtungen mit Essen. "Normalerweise machen wir etwa 6000 Essen pro Tag", sagt Prokurist Wolfgang Kraut. "Jetzt sind es 600 mehr." Das schaffe Arbeit, so Kraut. Mitarbeiter sucht der Betrieb, der zum Verein "Die Kette" gehört, über das Jobcenter, über Aushänge und Ausschreibungen. Etwa 40 Neueinstellungen hat es bis jetzt gegeben. Kraut: "In Rösrath suchen wir aktuell noch Mitarbeiter für den Abend-Pool." Abgerechnet wird pro Teilnehmer für Frühstück, Mittagstisch und Abendessen. "Wir kochen für die Flüchtlinge nicht groß anders als sonst", berichtet Kraut. Überwiegend Kitas und Schulen beliefert die Deka. "Da ist Schweinefleisch auch nicht unbedingt das Hauptthema, eher Pasta und Gemüse." Dennoch: Statt Hämchen, Rotkohl und Knödel gibt's öfter mal Couscous und Rohkost und Fisch. 

Die Handwerker 
"Viele Gewerke sind in die Instandsetzung der Flüchtlingsunterkünfte involviert", sagt Markus Otto, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Bergisches Land. "Zeltstädte müssen verkabelt werden, Gebäude saniert oder ausgebaut, Brandschutz installiert. Da sind eigentlich alle Bereiche gefragt: Sanitär, Elektro, Metallbau, Tischler, Maler, Holz- und Trockenbau, und so weiter." Die Stadt Bergisch Gladbach habe, so Otto, die Handwerksbetriebe direkt angesprochen, "alles andere hätte viel zu lange gedauert". Aktuell läuft der Ausbau von Haus Pohle in Schildgen. Auch in anderen Gemeinden soll die Errichtung von Wohnbauten von einheimischen Handwerkern gestemmt werden. "Es ist eine zusätzliche Herausforderung, denn die meisten Betriebe sind gut ausgebucht. Aber alle geben sich Mühe, diese wichtigen Maßnahmen dazwischen zu schieben." Wie hoch das zusätzliche Auftragsvolumen bei den Unternehmen am Ende zu Buche schlägt, will Otto nicht beziffern. "Dafür ist es noch zu früh." 

Der Containerhersteller 
"Da ergeben sich auch für uns neue Perspektiven", sagt der Geschäftsführer des Kürtener Systemherstellers Mainzer und Sohn. Aber sein Unternehmen baue keine "Kisten", die jetzt überall im Einsatz seien, sondern hochwertige Systemeinheiten. Dafür sei der aktuelle Bedarf überschaubar. Geliefert werden zum Beispiel Systemeinheiten für die Unterbringung von Röntgenapparaten im Rahmen der Erstaufnahme. Mittel- bis langfristig allerdings rechnet Mainzer mit mehr Aufträgen. Man habe auch überlegt, jetzt eine neue, einfachere Produktionslinie aufzubauen. "Aber das passt nicht zu uns. Wir sind die richtige Adresse, wenn es darum geht, Unterbringungen mit hoher Wohnqualität zu schaffen." Auf Dauer könnten die Flüchtlinge ja nicht in den provisorisch hergerichteten Containern leben. Es gebe bereits Gespräche mit verschiedenen Kommunen. "Aber da ist es im Augenblick noch zu früh, um Vollzug zu vermelden." Aktuell sind jedenfalls keine Ausweitung der Produktion und auch keine Neueinstellungen geplant.

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