BERLIN/NEUBRANDENBURG. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich an die Proteste gegen ihre Flüchtlingspolitik inzwischen gewöhnt. Als sie am Samstag am Tagungsort des CDU-Landesparteitags im mecklenburgischen Neubrandenburg eintrifft, wird sie wieder einmal von 200 Anhängern der AfD mit Pfiffen und "Volksverräter"-Rufen empfangen. Von solchen Protesten hat sie sich in den letzten Monaten nicht ansatzweise beeindrucken lassen. Auch nicht von der harschen Kritik der Schwesterpartei CSU und ihres Vorsitzenden Horst Seehofer.
Dennoch schlägt sie an diesem Samstag in Neubrandenburg in ihrer Rede beim Thema Flüchtlingskrise einen Ton an, den man so von ihr nicht kennt.
Mit entschlossener Stimme weist sie den größten Teil der einreisenden Flüchtlinge darauf hin, dass deren Zeit in Deutschland begrenzt sei. "Nahezu keiner der zu uns Kommenden bekommt einen Asylanspruch", sagt sie.
Die Menschen erhielten allenfalls ein Bleiberecht nach der Genfer Flüchtlingskonvention, das auf drei Jahre befristet sei. Diese Flüchtlinge müssten wissen: "Es ist ein temporärer Aufenthaltsstatus, und wir erwarten, dass, wenn wieder Frieden in Syrien ist, wenn der IS im Irak besiegt ist, dass Ihr auch wieder mit dem Wissen, das Ihr bei uns erworben habt, in Eure Heimat zurückgeht."
Fast alle Flüchtlinge sollen also wieder zurück. Das ist eine ziemliche klare Ansage. Selbst ganz zu Anfang der Flüchtlingskrise, noch vor ihrer Entscheidung die Tore zu öffnen, ging Merkel nicht so weit. "Damit wir denen, die in Not sind, helfen können, müssen wir auch denen, die nicht in Not sind, sagen, dass sie bei uns nicht bleiben können", sagte Merkel am 30. August. "Nicht alle können bleiben" ist aber immer noch etwas anderes als "fast alle müssen gehen".
Am 4. September 2015 traf Merkel die Entscheidung zur Aufnahme der Flüchtlinge, die zu Zehntausenden auf der Balkanroute unterwegs waren. Für Merkel ging es anschließend zunächst einmal um "Willkommenskultur" und "Wir schaffen das". Noch in ihrer Neujahrsansprache betonte sie die Chancen, die der Zuzug Hunderttausender aus Syrien, dem Irak und anderen Länder bedeute.
Sind die Äußerung Merkels in Neubrandenburg nun die Wende? Nein. Merkel setzt zunächst einmal nur andere Akzente und geht stärker auf Befürchtungen in Partei und Bevölkerung ein. Intern habe die Kanzlerin solche Sätze wie in Neubrandenburg schon häufiger geäußert, heißt es in der CDU. (dpa)
BOSNIEN-RÜCKKEHRER
Während des Bürgerkrieges in Bosnien-Herzegowina (1992-1995) sind fast zwei Millionen der einst 4,3 Millionen Einwohner des Landes geflohen . Eine Million Menschen suchten Zuflucht in anderen Regionen von Ex-Jugoslawien, 700 000 flüchteten ins Ausland. Deutschland nahm mit etwa 350 000 Menschen die Hälfte auf. Ende 1996 unterzeichneten Deutschland und Bosnien-Herzegowina ein Abkommen zur schrittweisen Rückführung der Flüchtlinge. Der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) stellte bei der Unterzeichnung des Abkommens fest, dass immer klar gewesen sei, "dass die Flüchtlinge zurückkehren müssen, wenn der Bürgerkrieg beendet ist , um sich auch am Wiederaufbau des Landes zu beteiligen".
Wegen der kritischen wirtschaftlichen und politischen Lage im kriegszerstörten Land lief die Rückführung zunächst nur schleppend an. Nur wenige gingen freiwillig. Einige Bundesländer beschlossen im Frühjahr 1997, Rückkehrprämien zu zahlen. Es wurden auch Aufbaukredite gegeben. Deutschland geriet in die internationale Kritik, weil Flüchtlinge gegen ihren Willen abgeschoben wurden. Eine Rückkehr müsse bei Weigerung der Betroffenen auch "mit polizeilicher Hilfe" durchgeführt werden, sagte im September 1998 der Flüchtlingsbeauftragte der Regierung, Dietmar Schlee.
Ende 2000 beendete das bosnische Beratungsbüro für Bürgerkriegsflüchtlinge, das die Rückkehr unterstützte, seine Tätigkeit. Das Bundesinnenministerium teilte mit, mehr als 260 000 der Flüchtlinge seien freiwillig zurückgekehrt, 51 000 in andere Staaten weitergewandert.
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