BERLIN. Herrschaft des Unrechts. DDR? Nordkorea? Der bayerische Ministerpräsident, der gerade mit Begeisterung bei Kremlchef Wladimir Putin in Moskau war, meint: Deutschland. Genauer: Kanzlerin Angela Merkel. Der "Passauer Neuen Presse" sagt CSU-Chef Horst Seehofer für die Ausgabe am Aschermittwoch: "Wir haben im Moment keinen Zustand von Recht und Ordnung. Es ist eine Herrschaft des Unrechts."
Er meint Merkels Flüchtlingspolitik, gegen die er womöglich noch vor den Landtagswahlen im März klagen wird.
Vielleicht hätte Seehofer das in seiner Rede am Mittwoch in Passau noch alles ausgeschmückt. Dabei bleibt es in diesem Jahr aber. Denn die CSU hat ihren Politischen Aschermittwoch wegen des Bahnunglücks in Bad Aibling abgesagt. Seehofers Interview steht aber. Schwarz auf weiß. "Herrschaft des Unrechts".
Und Seehofer kündigt erneut an, dass die bayerische Staatsregierung noch im Februar über die Verfassungsklage entscheiden wolle. Ausgangspunkt ist Merkels gemeinsame Entscheidung mit ihrem österreichischen Amtskollegen vom 4. September 2015. Damals öffnete sie die Grenzen für Flüchtlinge überwiegend aus Syrien, die zu Tausenden in Ungarn festsaßen. Eine humanitäre Notlage drohte.
Nach Ansicht Seehofers und des von ihm beauftragten Verfassungsrechtlers Udo Di Fabio aus Bad Godesberg ist die Bundesregierung verpflichtet, die deutsche Grenze besser zu schützen. Dass Flüchtlinge und Migranten ohne gültige Einreisepapiere ungehindert ins Land kommen, sei ein andauernder Rechtsverstoß. Dazu gibt es allerdings zahlreiche Juristen- und Politikerdeutungen.
Merkel bemüht sich weiter um eine internationale Lösung und wehrt sich gegen die von Seehofer geforderte deutsche Obergrenze für Flüchtlinge. Wie wird es werden, wenn Seehofer die Bundesregierung verklagt, der seine eigene Partei angehört, und die von der Vorsitzenden der CSU-Schwesterpartei CDU geführt wird? Ist der Bruch dann noch weit?
In Berlin wird zu Seehofers neuer Eskalationsstufe via Interview geschwiegen. Man setzt erst einmal auf Merkels Teflon-Prinzip. Abperlen lassen. Auch, wenn es wehtut. Seehofer nicht durch Reaktionen aufwerten.
Auch bei der SPD halten sie die Füße still. Nach ihrem schweren Patzer bei den Flüchtlingskindern im Asylpaket II, der intern als "hochnotpeinlich" klassifiziert wird, wollen die Genossen nicht aufmucken und Seehofer unnötig reizen. SPD-Chef Sigmar Gabriel braucht für sich und seine Partei einen gesichtswahrenden Kompromiss.
Einige in der SPD trauen Gabriel zu, in der Runde der Parteichefs beim Familiennachzug entweder schlecht verhandelt oder SPD-Ideale leichthin geopfert zu haben - beide Varianten wurden von Gabriels Leuten empört zurückgewiesen. Den Schnitzer beim Asylpaket II nahm dann das Familienministerium auf seine Kappe.
Gabriel wirbt an der Basis für seine Idee
Gabriel selbst versuchte am Montagabend bei einem Besuch an der SPD-Basis in Hamburg, der Union die Idee schmackhaft zu machen, künftig im Einzelfall zu entscheiden, welche betroffenen Flüchtlingskinder ihre Eltern nach Deutschland holen dürfen. "Ich hoffe, dass wir die Kollegen aus der CDU überzeugen können, dass man am Ende nach menschlichem Ermessen entscheiden muss, nach Nächstenliebe und Verantwortungsbewusstsein", sagte Gabriel.
Diese Worte bekommen nach Horst Seehofers jüngsten Anti-Merkel-Tiraden einen besonderen Klang. Von Nächstenliebe kann derzeit weder zwischen den Unions-Schwesterparteien noch zwischen SPD und CSU die Rede sein.
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