BRÜSSEL. Aus der Flüchtlingskrise droht eine Flüchtlingskatastrophe zu werden: Während Österreich und neun weitere Länder auf einer Konferenz gestern in Wien weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Asylbewerber-Zustroms über die Balkanroute berieten, eskalierte die Situation. In den Tagen zuvor hatten Wien, Belgrad und Laibach (Ljubljana) die Grenzübertritte erschwert, inzwischen schloss die mazedonische Regierung die vier Übergänge nach Griechenland.
"Der Korken sitzt fest", betonte ein österreichischer EU-Diplomat. Die Folgen sind fatal:
Rund 10 000 Flüchtlinge stauen sich auf griechischem Gebiet. Weitere 5000 kamen in den vergangenen 24 Stunden über das Meer hinzu. "Die Situation ist verzweifelt und explosiv", berichtete ein UN-Helfer. "Die Menschen wissen nicht mehr wohin." Wiens Entscheidung, nur noch 80 Asylgesuche pro Tag zu bearbeiten und höchstens 3200 Flüchtlinge weiter nach Deutschland zu lassen, hat den gefürchteten Dominoeffekt herbeigeführt, den Außenminister Sebastian Kurz gestern ausdrücklich als "erwünscht" bezeichnete. Mehr noch: Wien will in den nächsten Tagen 450 Soldaten in das Nachbarland Mazedonien entsenden, um zu verhindern, dass die Grenzschützer überrannt werden.
Es drohe eine "humanitäre Katastrophe", erklärten EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos und der niederländische Minister für Zuwanderungsfragen Klaas Dijkhoff. Griechische Medien berichten bereits von "Bildern der Ausweglosigkeit" im Hauptstadthafen Piräus. Das Gedränge habe ein "gefährliches Ausmaß" erreicht, während die türkische Küste weiter "sperrangelweit offen" sei.
Tatsächlich ist Griechenland der Staat, der der Flüchtlingswelle am wenigsten ausweichen kann. Tag für Tag kommen Schiffe an, die mit Tausenden neuer Flüchtlinge überladen sind. Zwar hat Bundeskanzlerin Angela Merkel beim EU-Gipfel Ende vergangener Woche den viel zitierten Plan A einer europäisch-türkischen Zusammenarbeit durchgesetzt. Aber ob am 7. März, wenn sich 28 EU-Staats- und Regierungschefs mit ihrem türkischen Kollegen Ahmet Davutoglu treffen, ein Durchbruch möglich ist, ist offen. Die Zweifel am ernsthaften Lösungswillen Ankaras wachsen. Und der Druck wird immer größer: Selbst Ungarn, das sich als erstes durch einen Grenzzaun abgeriegelt hatte, rückt wieder ins Blickfeld, nachdem mehrere Tausend Menschen die Schutzanlagen gestürmt hatten. Gestern gab Premier Viktor Orbán bekannt, er werde eine Volksabstimmung über die europäische Idee von Flüchtlingskontingenten abhalten. Doch was er den Wählern vorlegen will, ist unklar. Denn bisher gibt es keinen konkreten Vorschlag für Kontingente.
Wohl auch deshalb hat Österreich - gegen den erklärten Willen Deutschlands und auch der EU-Führung in Brüssel - mit seinem Plan B das Management übernommen. "Es ist wichtig, den Flüchtlingsstrom entlang der Balkanroute zu stoppen", betonte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, die heute mit ihren Kollegen in Brüssel zusammentrifft. "Wir wollen eine Kettenreaktion der Vernunft."
Doch dabei könnte Griechenland unter die Räder kommen. Experten schätzten gestern, dass die Hellenen vielleicht noch zwei bis vier Wochen durchhalten könnten, dann drohe ein "Kollaps". Selbst der angedrohte Ausschluss aus dem Schengen-System "löst das Problem des Rückstaus ja nicht", hieß es aus dem Umfeld von Migrationskommissar Avramopoulos. "Man kann nicht einen Korken irgendwo draufmachen und dann sagen: Der Rest interessiert mich nicht."
Erbost reagierte am Abend auch Athens Premier Alexis Tsipras. "Wir werden nicht akzeptieren, dass sich unser Land in ein Lager für menschliche Wesen verwandelt", sagte Tsipras im Parlament. Sein Zorn richtete sich vor allem gegen Österreich. Es sei "eine Schande", dass einige Länder die Entscheidung des Gipfels zu einem "gemeinsamen" Vorgehen nicht respektierten.
EINREISE OHNE PASS
77 Prozent der Flüchtlinge , die im Januar nach Deutschland kamen, hatten bei ihrer Einreisekeine gültigen Ausweispapiere dabei. Das berichtete die Berliner Morgenpost unter Berufung auf das Bundesinnenministeriums. Zu den Gründen äußerte sich das Ministerium nicht.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl wies darauf hin, dass Oppositionelle in vielen Staaten keine Papiere beantragen könnten, weil sie sonst erst recht verfolgt würden. Andere Flüchtlinge würden ihre Pässe vor der Einreise nach Deutschland vernichten , weil das Dokument Aufschluss über die Reiseroute zulässt und Deutschland sie dann in das Erstaufnahmeland in der EU zurückschicken könne.
- wie die Politik ein ernsthaftes Problem in unverantwortlicher Weise zur Herausforderung umettikettiert und zur Chance schönredet.
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