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Mittwoch, 25. November 2015

Warum Vorurteile lebenswichtig sind

Sie ist aus dem Deportationszug gesprungen und konnte sich so vor den Nazis in Budapest verstecken. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie die Assistentin des Philosophen und Literaturwissenschaftlers Georg Lukács. Heute lebt die jüdische Ungarin Agnest Heller wieder in Budapest, nachdem sie das Land 1977 verlassen hatte, um in Melbourne eine Professur anzutreten und später als Nachfolgerin von Hannah Arendt deren renommierten Lehrstuhl in New York übernahm. Philosophie ist für die 85-Jährige eine praktische Angelegenheit, wie sie jetzt bei der Präsentation ihres Buchs "Die Welt der Vorurteile" im Gespräch mit der Journalistin Angela Gutzeit demonstrierte.
Auch das Publikum in der Zentralbibliothek in Köln sollte Fragen an Agnes Heller stellen können. Die mag solche Situationen aber nicht vom Podium herab erledigen, sondern sprang im engen Rock mit hohen Schuhen einmal eben vom Podest herunter, um auf Augenhöhe mit ihren wechselnden Gesprächspartnern die drängendsten Probleme zu lösen. Ohne Vorurteile können wir nicht leben, davon ist Agnes Heller überzeugt. Wer möchte schon die Behauptung, dass Tokio eine Stadt in Japan sei, eigenen Fußes überprüfen? Den Unterschied vollzieht Agnes Heller zwischen guten und schlechten Vorurteilen, wobei sie letztere darüber definiert, dass diese Form von übler Nachrede leidvolle Spuren bei den Betroffenen hinterlässt. "Hass und Isolation vergiften die Seele der Menschen, und sie vergiften auch die Seele derer, die die Vorurteile in die Welt setzen", behauptet sie. Obwohl es Vorurteile schon immer gegeben hat, setzt Agnes Heller doch historisch eine Zäsur mit dem Aufkommen der Moderne und der Gründung der Nationalstaaten. "Das Zeiterleben änderte sich, Geschwindigkeit wurde als Fortschritt interpretiert. Die Menschen fühlten sich überfordert und suchten Halt. Es entstanden die Kategorien ,Wir' und ,Sie', und die anderen werden uns zunehmend verdächtig. Allerdings müssen wir sie deshalb nicht hassen", erklärt Agnes Heller. Vorurteile sind für sie selbstverständlich, nur müssen sie immer wieder in Frage gestellt werden. Dass es dabei verwirrend zugehen kann, zeigen mitunter die Tendenzen der political correctness. "Die war eigentlich als Waffe gegen Vorurteile gedacht und wurde dann selbst zur Quelle von Vorurteilen, weil sie übertrieben wurde. Vorurteile sind immer das Ergebnis von Übertreibungen", sagt die Philosophin. In Ungarn erlebt Anges Heller im Moment ein Aufblühen der Vorurteile aufgrund der Allgegenwart der Regierungspartei von Ministerpräsident Viktor Orbán. Agnes Heller beschreibt ein Land, in dem jede kritische Stimme erstickt wird, "es herrscht eine totale Ohnmacht", berichtet sie. Die Situation in Ungarn steht für Agnes Heller in unmittelbarem Zusammenhang mit der Auflösung des Warschauer Pakts. "Die Länder Osteuropas haben nicht viel tun müssen, um ihre Freiheit zu erlangen. Ungarn hat sie sozusagen geschenkt bekommen. Aber für alles muss man bezahlen, die Menschen haben nicht gelernt, mit der Freiheit umzugehen", erklärt Agnes Heller. Aber einschüchtern lässt sie sich nicht, an dieser Tatsache lässt die 85-Jährige jedenfalls keinen Zweifel.

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