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Freitag, 27. November 2015

Herbststürme stoppen die Flüchtlinge

ATHEN/BELGRAD. Eigentlich war es abzusehen: Irgendwann im Herbst kommen in der östlichen Ägäis starke Winde auf, die See wird rau und schwer befahrbar. Für Tausende Flüchtlinge, die bislang täglich an der westtürkischen Küste Richtung Europa aufbrachen, bedeutet dies, dass ihnen dieser Weg zunehmend versperrt wird. Die selbst bei gutem Wetter lebensgefährliche Überfahrt in Schlauchbooten zur nächsten griechischen Insel kommt unter diesen Umständen einem Selbstmordversuch gleich. Die neue Lage drückt sich in den Zahlen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) aus. Die UN-Agentur zählte am vergangenen Sonntag auf den griechischen Inseln lediglich 155 neue Flüchtlinge - am Tag zuvor waren es noch knapp 3000 Menschen gewesen.
Der abrupte Rückgang geht auf die jahreszeitbedingten Stürme in der Ägäis zurück. Die sogenannte Balkanroute, über die in diesem Jahr nach IOM-Schätzung mehr als 100.000 Asylsuchende aus Nahost, Südasien und Afrika in die Mitte Europas gekommen sind, ist mit dem Ausfall ihrer ersten Etappe stillgelegt. Vorerst - muss man hinzufügen. Denn auf jeden Winter folgt ein Frühling, und dann glätten sich die Wellen auch in der Ägäis wieder. Der Krieg in Syrien, die Armut in Bangladesch, die politischen Verfolgungen im Iran werden aber bis dahin wohl nicht aus der Welt sein. Die EU sucht nun ihr Heil in der Anlehnung an die Türkei. An diesem Sonntag soll ein Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs mit der türkischen Führung in Brüssel über die Bühne gehen. Im Mittelpunkt steht dem Vernehmen nach ein Aktionsplan für eine verstärkte Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise. Doch die Menschen werden wieder über das Meer kommen wollen, wenn sie keine andere Fluchtmöglichkeit für sich sehen. Versuche, die Wanderung durch Zäune, Sperren oder selektives Durchlassen bestimmter Flüchtlingsgruppen zu drosseln, erzeugen neue Probleme. Vor einer Woche verständigten sich die ex-jugoslawischen Balkanrouten-Länder Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien darauf, nur noch Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan durch ihr Staatsgebiet ziehen zu lassen. Die anderen werden nun pauschal als "Wirtschaftsflüchtlinge" abgewiesen. In der Praxis hatte das zur Folge, dass die abgelehnten Flüchtlinge an der ersten Grenze - der zwischen Griechenland und Mazedonien - hängen blieben. Dort droht die Lage nun zu eskalieren: Hunderte Flüchtlinge aus Ländern wie Iran, Marokko und Pakistan gingen gestern auf mazedonische Polizisten los, die ihrerseits Schlagstöcke einsetzten. Mehrere Tausend Menschen bevölkern derzeit das griechische Grenzlager Idomeni, wie Aktivisten auf der Facebook-Seite "Forgotten in Idomeni" berichteten. Freiwillige Helfer hätten in der Nacht zum Donnerstag 5000 Mahlzeiten, warme Kleidung, Decken und Schlafsäcke verteilt, schrieb eine Aktivistin. Immer wieder organisieren Flüchtlinge in Idomeni Protestaktionen. Dutzende traten in einen Hungerstreik. Viele Männer demonstrierten mit entblößtem Oberkörper in der klirrenden Kälte. Etwa zehn Iraner nähten sich den Mund zu. Die gruseligen Bilder gingen um die Welt, großes Aufsehen erregten sie aber nicht. Das Mitleid mit den zu "Wirtschaftsflüchtlingen" abgestempelten Menschen hielt sich in Grenzen. Dabei gibt es den Begriff im humanitären Völkerrecht nicht. Vielmehr hat jeder Flüchtende ein Anrecht darauf, dass seine Asylgründe individuell geprüft werden. Der EU scheint es aber durchaus recht zu sein, wenn ein Teil der Flüchtlinge irgendwo weit weg gestoppt und an der Weiterreise gehindert wird. Es sei eine Problemverdrängung, aber keine Problemlösung, meinen Menschenrechtler. "Die EU-Strategie, die Menschen (an der Peripherie) aufzuhalten, führt bestenfalls dazu, dass sie sich individuell immer gefährlichere Wege suchen", schrieb die Flüchtlingsforscherin Diana Ihring auf der Webseite opendemocracy.net. Ihring erinnert an die 3485 Toten allein in diesem Jahr im Mittelmeer und an die 71 Menschen, die in einem Lastwagen auf dem Weg von Österreich nach Ungarn qualvoll erstickten. (dpa)

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