"Kriminalität im Kontext von Zuwanderung" heißt die als "Lageübersicht Nr. 1" bezeichnete Analyse, die das Bundeskriminalamt (BKA) nun vorgelegt hat. Das Referat 51 der Abteilung für Schwere und Organisierte Kriminalität ist im Auftrag des Bundesinnenministeriums der Frage nachgegangen, inwiefern die Flüchtlingskrise "Auswirkungen auf die Kriminalitätsentwicklung in Deutschland" hat. Dazu haben die Kriminalisten Daten der Polizei aus Bund und zwölf Ländern sowie des Zolls zusammengetragen. (Lesen Sie die Hintergründe dazu im SPIEGEL 44/2015: "Heikle Zahlen")
Die wichtigste Aussage der 20-seitigen Analyse lautet: Ja, die Kriminalität steigt, aber sie steigt deutlich langsamer als es die wachsende Zahl der Zuwanderer vermuten lassen könnte. So registrierten die Sicherheitsbehörden in den ersten drei Quartalen 2015 rund 141.000 aufgeklärte Straftaten, an denen mindestens ein Zuwanderer beteiligt gewesen sein soll. Im Vorjahr waren es 116.000 Delikte. Allein zwischen Januar und Oktober 2015 hat das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (Bamf) aber etwa 758.000 Asylsuchende registriert. Die Studie gründet auf Daten aus den Vorgangsbearbeitungssystemen der Polizei. Ihr liegen keine Verurteilungen zu Grunde. Sie kann also allenfalls eine Tendenz beschreiben.
"Insgesamt zeigen uns die derzeit verfügbaren Tendenzaussagen, dass Flüchtlinge im Durchschnitt genauso wenig oder oft straffällig werden wie Vergleichsgruppen der hiesigen Bevölkerung", teilte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mit. "Der Großteil von ihnen begeht keine Straftaten, sie suchen vielmehr in Deutschland Schutz und Frieden."
In einem Drittel der polizeilich erfassten Straftaten geht es um Vermögens- und Fälschungsdelikte, überwiegend sind es Fälle von Schwarzfahren und gefälschte Ausweispapiere. Ein Drittel der Taten sind Diebstähle und etwa 16 Prozent sogenannte Rohheitsdelikte, also Körperverletzungen, Bedrohungen und Nötigungen. Sexuelle Übergriffe machen noch nicht einmal ein Prozent der Fälle aus, Tötungsdelikte nur 0,1 Prozent.
Die Zahl der Taten, die von Zuwanderern an Zuwanderern begangen werden, ist laut BKA stark gestiegen. Dazu zählen auch Schlägereien, wie sie sich nach Aussagen von Experten fast wöchentlich in einigen Flüchtlingsunterkünften zutragen. Der Analyse zufolge führen dort auch ethnisch-kulturelle und religiöse Konflikte zu mehr Straftaten.
"Die Erhöhung der Fallzahlen ist kriminologisch erklärbar und mit normaler kriminalpolizeilicher Arbeit in den Griff zu bekommen", sagt der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, SPIEGEL ONLINE. "Allerdings ist die derzeitige Belastung für die Polizei hoch und geht zu Lasten anderer Bereiche, in denen kaum noch Ermittlungen betrieben werden können." Es sei dringend notwendig, "personelle und materielle Ressourcen" aufzustocken, so Schulz. Der BDK hatte bereits vor einigen Monaten eine entsprechende Entwicklung prognostiziert.
Die Sicherheitsbehörden registrieren auch, dass bestimmte Nationalitäten unter den Tatverdächtigen deutlich überrepräsentiert sind. So fallen Serben, Kosovaren und Mazedonier bis zu viermal häufiger im Zusammenhang mit Straftaten auf, als es ihr Anteil an der Gesamtzahl der in der "Erstverteilung von Asylbegehrenden" (Easy) Erfassten eigentlich erwarten ließe. "Signifikant unterrepräsentiert" sind laut BKA hingegen Syrer und Iraker unter den Tatverdächtigen.
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums teilte auf Anfrage mit, Ziel der der Analyse sei "größtmögliche Klarheit und um eine Versachlichung der Debatte". Der Braunschweiger Kriminaldirektor Ulf Küch hatte am Mittwoch im Interview mit SPIEGEL ONLINE gesagt,"Es sind keine syrischen, irakischen und kurdischen Familien, die uns Probleme machen. Ganz im Gegenteil."
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