Berlin (dpa) - Ali Nazari hat seine Hoffnung nicht verloren. Seit knapp einem Jahr brennt der Iraner darauf, in Deutschland endlich arbeiten zu können.
"Ich schreibe jede Woche zehn Bewerbungen", sagt er. Sein Fall zeigt, wie schwer es für Flüchtlinge sein kann, hier einen Job zu finden - selbst wenn sie qualifiziert sind. Welche Chancen haben die Flüchtlinge? Und sind sie die Lösung für die wachsenden Probleme des Fachkräftemangels und Arbeitskräftebedarfs?
In den riesigen Berliner Neubau des Bundesinnenministeriums hat Ressortchef Thomas de Maizière (CDU) geladen. Politiker, Behördenleiter und Experten diskutieren, was getan werden muss, um aus Flüchtlingen Fachkräfte zu machen. Viel ist von Hoffnungen die Rede, von Geduld und Geld, das gebraucht wird - und von der Notwendigkeit, dass das Land der vielen Vorschriften und Regeln jetzt improvisieren muss. Sollen zum Beispiel immer alle Abschlüsse und Zertifikate gefordert werden, wie bisher üblich?
Im Fall von Ali Nazari fehlte es zunächst an formalen Qualifikationen. Im Iran war er als Manager an großen Bauprojekten beteiligt - bevor er vom Regime bedroht wurde und fliehen musste. Bei einer ersten Begegnung vor einem halben Jahr in seiner Berliner Wohnung stöhnte der 44-Jährige: "Deutschland wartet auf Zertifikate." Damals hatte ihn gerade ein Arbeitgeber abgelehnt, weil er keine Bescheinigung für das Programm SAP hatte. Über den Sommer hat Nazari nun einen SAP-Kurs gemacht. Noch hat es ihm nichts gebracht: "Ich kämpfe immer noch um einen Job", sagt er nun.
Frank-Jürgen Weise gibt sich optimistisch und pragmatisch. Er ist der Organisator der Flüchtlingsintegration - in seiner Doppelfunktion als Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Leiter des Migrationsamts BAMF. "Wir haben einen zunehmenden Bedarf an Arbeitskräften, der wird richtig groß", sagt Weise bei der Konferenz des Innenministeriums. Und nun kämen viele tüchtige, junge, hochmotivierte Menschen. Berufsorientierung, Einstiegsqualifizierung, Erprobung im Betrieb auf BA-Kosten oder auch Flüchtlinge, die aus Eigeninitiative einfach mit einem Job anfangen - der Weg zur Integration kann aus Weises Sicht vielfältig sein.
De Maizière plädiert für Pragmatismus, um Flüchtlingen den Weg zum Job zu erleichtern. "Muss man erst eine Qualifikation machen und abschließen, bevor man in den Beruf gehen kann?" Die Menschen sollten auch einfach mit dem Beruf anfangen können.
Rund 600 000 Fachkräfte fehlen, klagt Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. Allein in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, so rechneten die Arbeitgeber jüngst vor, bräuchten die Unternehmen derzeit 164 400 zusätzliche Arbeitskräfte.
Doch können die Lücken nun schnell gestopft werden? Viele Fragezeichen, Sorgen und Warnungen stehen im Raum. Was können die Flüchtlinge überhaupt, die jetzt kommen? "Wir wissen nicht, wie das Qualifikationsniveau der Flüchtlinge mit Bleibeperspektive sein wird", sagt de Maizière. Klar sollten im Zweifelsfall eher wirkliche Erfahrungen zählen statt formale Voraussetzungen, meint Integrationsexpertin Christine Langenfeld. Aber: Zwei Klassen - nach dem Motto: hohe Standards für Deutsche, niedrige für Flüchtlinge - dürfe es nicht geben.
"10 Prozent der Menschen arbeiten nach 5 Jahren", zitiert Weise Erfahrungswerte, "50 Prozent nach 10 Jahren und 70 Prozent nach 15 Jahren." Am Ende bekomme die Gesellschaft mehr zurück, als sie in die Flüchtlinge investiere. Aber: "Wir sollten uns nichts vormachen, wie schwer es ist, für Menschen aus anderen Kulturen, in unsere geregelte Arbeitsmärkte zu kommen."
Wie viele kommen überhaupt? Von der offiziellen Prognose von 800 000 in diesem Jahr will de Maizière nicht abweichen. "Die Herausgabe einer neuen Prognose würde ausländisch und von Schleppern missbraucht als zusätzliche Einladung, zu uns zu kommen." Knapp die Hälfte der Menschen werde wohl bleiben - rund ein Drittel davon sei wohl ganz gut qualifiziert.
Ali Nazari lässt nicht locker. In wenigen Tagen beginnt ein neuer Kurs für den Iraner, im Controlling. Vielleicht ist sein Problem, dass er eben kein Techniker, sondern Manager ist. Doch er meint: "Mit dem neuen Kurs habe ich dann eine gute Kombination aus Qualifikationen." Falls es dann nichts werde mit dem Job, wisse er allmählich aber auch nicht weiter.
- wie die Politik ein ernsthaftes Problem in unverantwortlicher Weise zur Herausforderung umettikettiert und zur Chance schönredet.
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