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Dienstag, 1. Dezember 2015

Warum die Menschen kommen

Es ist nicht das erste Mal, dass Deutschland eine außerordentlich hohe Zahl an Zuwanderern bewältigen muss. Der bisherige Höhepunkt, was die Zahl der Flüchtlinge und Asylbewerber betrifft, war 1992: Damals wurden knapp 440 000 Asylanträge gestellt. Die überwiegende Zahl der Antragsteller stammte aus Süd- und Südosteuropa, vor allem aus Jugoslawien, dessen Zerfall 1991 begonnen hatte, sowie aus Rumänien und aus Bulgarien. Die Verschärfung des Asylrechts Ende 1992 war die Folge. Asylbewerber und Flüchtlinge aus Konfliktgebieten waren allerdings nicht die einzigen Zuwanderer in jenen Jahren: 1990 schnellte die Zahl der deutschstämmigen Aussiedler aus einem kommunistisch regierten Land auf 400 000 hoch, bis 1995 kamen jährlich noch einmal 200 000 Aussiedler. Die Gründe, weshalb die Menschen heute zu uns kommen, sind vielfältig wie die Regionen, aus denen sie stammen.
Klar ist aber: Krieg und Konflikt sind derzeit die Hauptursache. Im Oktober stellten allein Syrer mehr als 53 Prozent der insgesamt 52 730 Asylbewerber. Die tatsächliche Zahl der Zuwanderer liegt aber erheblich höher als die Zahl der Asylanträge (siehe Grafik unten). Registriert wurden bisher etwa 900 000 Flüchtlinge, eine unbekannte Zahl wurden dabei mehrfach erfasst. (lw)

Syrien
"Nieder mit dem Präsidenten", sprühten der 15-jährige Bashir Abazed und seine Freunde im Februar 2011 aus Langeweile an eine Schulmauer im südsyrischen Daraa - und landeten in den Folterkellern des Regimes von Baschar Al-Assad. Die folgenden Demonstrationen gegen den Umgang mit den Kindern weiteten sich zur landesweiten Protestwelle aus, die das Militär blutig niederzuschlagen versuchte. Die folgenden Kämpfe eskalierten zum bis heute andauernden Bürgerkrieg diverser Gruppen. Teile Syriens werden derzeit von extremistischen Gruppen wie der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kontrolliert. Der Bürgerkrieg wird durch die Einmischung auswärtiger Mächte erheblich kompliziert. Die USA drängen auf den Sturz des Assad-Regimes, während Russland sich als dessen Schutzmacht versteht. Der schiitische Iran stützt traditionell Syriens Machthaber und kämpft gegen die Ausbreitung des sunnitischen IS, die Türkei tritt dagegen für die Ablösung Assads ein und hat wie Saudi-Arabien den IS lange unterstützt, auch weil Ankara einen Erfolg kurdischer Kräfte fürchtet - die bislang erfolgreichste Streitmacht gegen die Extremisten. Derweil entwickelt sich der Bürgerkrieg zur Katastrophe. Seit Beginn des Konflikts wurden nach Angaben von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon mehr als eine Viertelmillion Menschen getötet. Etwa 6,5 Millionen haben ihre Heimatorte verlassen und suchen Schutz innerhalb Syriens. Weitere 4,2 Millionen sind vor dem Krieg über die Grenze geflohen, die meisten von ihnen leben in Syriens Nachbarländern, allein mehr als zwei Millionen in der Türkei, mehr als eine Millionen im kleinen Libanon und rund 600 000 in Jordanien. Warum machen sich gerade jetzt so viele Syrer auf den Weg nach Europa? Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR kennt Antworten: Weil viele nach fünf Jahren Krieg die Hoffnung auf Rückkehr verloren haben. Weil die Ersparnisse aufgebraucht sind, es in Nachbarländern keine Arbeitsmöglichkeiten gibt und es dort immer schwieriger wird, die Kosten für Unterkunft und Lebensunterhalt zu zahlen. Weil die Bildungsmöglichkeiten für die Kinder schlecht bis nicht existent sind. Weil die internationalen Hilfsprogramme zu mehr als 50 Prozent unterfinanziert sind und die Lebensmittelrationen immer weiter gekürzt werden mussten. Für viele war dies, berichteten Flüchtlinge dem UNHCR, der letzte Anstoß zum Aufbruch. (pfu/lw/sas) 

Eritrea 
Unter Asylbewerbern in Deutschland waren Eritreer 2015 die siebtgrößte Gruppe. Aus dem Land am Horn von Afrika flohen bis zum 31. Oktober 8715 Menschen nach Deutschland, 2014 waren es insgesamt mehr als 13 000. Damit sind seit 2012 bereits mehr als 100 000 Eritreer in die EU, nach Norwegen oder in die Schweiz ausgewandert. Zudem sind mehr als 200 000 Eritreer in afrikanische Nachbarländer geflohen. Ursache der Flucht: Das Regime in Eritrea unterdrückt systematisch die Freiheitsrechte seiner Bürger: Seit 1993 gab es keine Wahlen, freie Meinungsäußerung wird beschnitten, es gibt keine freie Presse oder eine Opposition. Der Wehrdienst ist zeitlich oft unbegrenzt, Menschenrechtsgruppen sehen darin eine moderne Form der Sklaverei. Experten werfen dem Regime von Präsident Isaias Afewerki zudem willkürliche Hinrichtungen sowie systematische Folter vor. (dpa/pfu) 

Irak 
2003 starteten die USA ihren Feldzug zum Sturz von Diktator Saddam Hussein. Obwohl dieser gelang, schafften es die seit 2004 amtierenden Regierungen in Bagdad nicht, dem Land Frieden zu bringen. Zwischen sunnitischen und schiitischen Gruppierungen entbrannte ein mörderischer Bürgerkrieg, die vom Iran unterstützte schiitische Regierung in Bagdad unterdrückte die Sunniten, die unter Saddam die Elite des Landes bildete. Nach Abzug der US-Truppen Ende 2011 nahm die Gewalt zu. Die sunnitische Terrormiliz IS, unterstützt von sunnitischen Geheimdienst- und Militärkadern des alten Regimes, trat ihren Vormarsch an. Im Norden und Westen Iraks eroberte der IS große Gebiete. Kurdische Truppen, aber auch die irakischen Streitkräfte und Schiitenmilizen versuchen, die Dschihadisten mit US-Luftunterstützung zurückzudrängen. Rund 3,7 Millionen Iraker sind auf der Flucht, davon knapp die Hälfte im eigenen Land. (dpa/pfu/sas) 

Westlicher Balkan 
Die hohe Zahl von Asylbewerbern aus Balkanstaaten hatte Anfang des Jahres für Alarmstimmung in Deutschland gesorgt. Allein im März stellten 11 147 Flüchtlinge aus dem Kosovo einen Asylantrag - das entsprach fast 40 Prozent aller Asylanträge in diesem Monat. Doch schon im Juli sah das ganz anders aus: Da taucht das Balkanland mit einer Zugangsquote von unter 1,6 Prozent schon nicht mehr unter den Top Ten der Herkunftsländer auf, inzwischen sind es weniger als 1,3 Prozent (Oktober: 619 Anträge). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erklärt sich diese Entwicklung so: Viele Menschen seien mit falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt worden, die konsequente und hohe Ablehnungsquote von 99 Prozent habe sich dann schnell herumgesprochen, sagte Sprecher Mehmet Ata. Allerdings nicht in Albanien. Das Balkanland liegt sowohl im Oktober als auch im Jahresverlauf auf Platz zwei der Asylantragsstatistik. Trotz wirtschaftlicher Fortschritte zählt Albanien noch immer zu den ärmsten Ländern Europas. Deutschland unterstützt es bei den Bemühungen, EU-Mitglied zu werden. Dank seiner Reformbemühungen ist Albanien seit Juni 2014 offizieller Beitrittskandidat, hat aber weiter mit Korruption und organisiertem Verbrechen zu kämpfen. Die Bundesrepublik engagiert sich seit 1988 entwicklungspolitisch in dem Land mit etwa 2,9 Millionen Einwohnern. Mit Leistungen von inzwischen mehr als einer Milliarde Euro ist Deutschland einer der größten Geber. Bis Mitte des Jahres schossen die Flüchtlingszahlen aus Albanien hoch und erreichten im August mit 8243 Asylanträgen ihren Höhepunkt. Seitdem geht ihre Zahl kontinuierlich zurück. Insgesamt machen die westlichen Balkanländer derzeit etwa elf Prozent der Asylanträge aus. Bereits seit November 2014 gelten Serbien, Mazedonien und Bosnien in Deutschland als sichere Herkunftsstaaten, Montenegro, Albanien und Kosovo kamen Mitte Oktober 2015 laut Beschluss der Bundesregierung hinzu. An den Migrationsgründen ändert das nichts: vor allem Armut und Arbeitsplatzmangel, Rechtsunsicherheit und die Diskriminierung von Minderheiten. Jeder dritte Westbalkan-Flüchtling gehörte im ersten Quartal 2015 laut Bundesregierung zur Gruppe der Roma: Bei den Flüchtlingen aus Serbien waren es sogar 91 Prozent, gefolgt von Mazedonien (72 Prozent), Bosnien (60 Prozent) und Montenegro (42 Prozent). Bei Albanien und dem Kosovo lag der Anteil nur bei jeweils neun Prozent. (lw) 

Afghanistan 
Trotz eines 13 Jahre lang dauernden Nato-Kampfeinsatzes ist die Sicherheitslage im Land am Hindukusch instabil. Die von der Nato bekämpften Taliban sind nach wie vor zu militärischen Großoffensiven fähig. Nach einem Bericht der New York Times starben alleine im ersten Halbjahr 2015 bei Kämpfen über 4000 Polizisten und Regierungssoldaten. Die USA fliegen Drohnenangriffe gegen Rebellen, obwohl der Nato-Kampfeinsatz offiziell abgeschlossen ist. Krieg und Unruhen suchen Afghanistan seit Jahrzehnten heim. Sowjetische Truppen marschierten 1979 im Nachbarland ein, um das kommunistische Regime zu unterstützen, das den Bürgerkrieg gegen islamische Mudschaheddin zu verlieren drohte. Der Afghanistan-Krieg hinterließ ein zerstörtes Land mit sich bekriegenden Warlords. Aus diesen Kämpfen gingen die fundamentalistischen Taliban als Sieger hervor. Deren Regierung wurde von den USA als Schirmherrin des Terrornetzwerks Al-Kaida ausgemacht und durch die westliche Invasion 2001 gestürzt. Stabilität und Frieden brachte die erneute Einmischung von außen nicht. Nach fast vier Jahrzehnten Bürgerkrieg sind Infrastruktur und Wirtschaft des Vielvölkerstaats zerstört, Industrie ist kaum vorhanden. Lediglich der Drogenhandel floriert. Viele Afghanen sehen in ihrem Land keine Zukunft mehr. Einheimische Helfer westlicher Organisationen müssen als Kollaborateure die Rache der Taliban fürchten. Die deutsche Diskussion über eine Begrenzung der Aufnahme von Flüchtlingen und Gerüchte von Schleusern haben die Zahl der Auswanderer aus Afghanistan anschwellen lassen. (dpa/pfu) 

Pakistan 
Pakistan wird regelmäßig von Anschlägen erschüttert, besonders die Nordwest-Provinz an der Grenze zu Afghanistan - ein Rückzugsgebiet für Taliban- und Al-Kaida-Kämpfer. Pakistan wurde nach den Anschlägen am 11. September 2001 Verbündeter der USA im Kampf gegen den Terror. Die afghanische Regierung wirft Pakistan dennoch vor, dass der Geheimdienst ISI die Taliban unterstützt. Pakistan ist Schwerpunktland des US-Drohnenkriegs: Die US-Streitkräfte jagen Anführer islamistischer Gruppierungen mithilfe von Kampfdrohnen. Nach Schätzungen dreier Organisationen, die das Drohnenprogramm verfolgen, kamen in rund 500 Angriffen mehr als 3800 Menschen ums Leben, darunter etwa 470 Zivilisten. Pakistan ist darüber hinaus ein sehr armes Land. 6102 Pakistani beantragten in den ersten zehn Monaten des Jahres 2015 Asyl in der Bundesrepublik. (dpa/pfu)

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