FREIBURG. Vater und Sohn sitzen nebeneinander auf der Anklagebank. Als der Richter das Urteil verkündet, bleibt der 18-Jährige äußerlich gelassen. Sein Vater neben ihm bricht in Tränen aus, vergräbt das Gesicht in den Händen. Der Anwalt reicht Taschentücher und Wasser. Vater und Sohn müssen für Jahre ins Gefängnis. Nach einem Lynchmord im Sommer 2014 spricht sie das Landgericht Freiburg am Montag für schuldig. Sie wollten, so der Richter, nach einer Vergewaltigung die vermeintlich beschädigte Familienehre wiederherstellen - und wurden deshalb zu Mördern.
Es ist ein Fall von Selbstjustiz, der mit dem Richterspruch ein Ende findet. Nachdem seine Schwester verprügelt und vergewaltigt worden war, beschlossen der damals 17 Jahre alte Schüler und sein Vater, Rache zu nehmen. Die Polizei fahndete nach dem mutmaßlichen Vergewaltiger, doch der tauchte unter. Die Familie wollte sich nicht allein auf die Ermittler verlassen. Sie nahm die Sache selbst in die Hand und machte sich auf die Suche nach dem 27-Jährigen. Und wurde über soziale Netzwerke im Internet schneller fündig als die Polizei.
Sechs Tage nach der Vergewaltigung im Juni 2014 kam es zur tödlichen Bluttat - auf einem dunklen Parkplatz nahe der Autobahn in Neuenburg am Rhein südlich von Freiburg. Der 27-Jährige wurde in einen Hinterhalt gelockt und getötet. Die 23 Messerstiche in Herz, Hals und Rücken überlebte er nicht. Er starb am Tatort. Bewaffnet hatten sich die Täter mit Messer, Schlagstock und Elektroschockgerät. "Das Opfer hatte keine Chance", sagt Oberstaatsanwalt Eckart Berger. "Es wurde von den Angriffen überrascht und war ihnen hilflos ausgeliefert."
Dies sieht auch der Vorsitzende Richter Stefan Bürgelin so. "Es war ein Akt der Selbstjustiz", sagt er zur Urteilsbegründung: "Es ging um Familienehre." Doch das "staatliche Gewaltmonopol" stehe nicht zur Debatte. Dass jemand das Recht in die eigene Hand nehme und mit Gewalt durchsetze, sei "in einer zivilisierten Gesellschaft tabu".
Der Teenager und sein Vater werden wegen gemeinschaftlichen Mordes verurteilt. Der 18-Jährige muss acht Jahre ins Gefängnis. Weil er zur Tatzeit 17 Jahre alt und damit noch nicht volljährig war, gilt für ihn das Jugendstrafrecht. Er entgeht damit einer höheren Strafe.
Dies gilt für den Vater nicht: Der 48-Jährige erhält eine lebenslange Haftstrafe. Seine Mittäterschaft gilt als erwiesen, sagt der Richter. Zwei Komplizen, 19 Jahre und 21 Jahre alt, werden wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt. Der 21-Jährige, der das Opfer während der tödlichen Attacken festhielt, muss fünf Jahre ins Gefängnis. Der 19-Jährige, der das Treffen arrangiert hatte, erhält zwei Jahre auf Bewährung.
"Ihr habt unsere Familie zerstört", hatte die Schwester des Getöteten im Prozess in Richtung der Angeklagten gesagt. "Ihr seid Mörder." Reue hatten die beiden Hauptangeklagten, Vater und Sohn, nicht gezeigt. "Ich bin stolz auf meinen Sohn", hatte der Vater erklärt, als er noch am Abend der Tat festgenommen worden war: "Die Polizei macht nichts. Wir haben die Sache selbst in die Hand genommen." Das Recht sei auf ihrer Seite gewesen.
Der Richter sagt, zu dem Verbrechen sei es aus falsch verstandener Liebe zur Familie gekommen. Aber: "Sie hat neues Leid für die gesamte Familie gebracht." Nach der Urteilsverkündung und vor den Augen der Familienangehörigen werden die beiden Verurteilten Seite an Seite aus dem Gerichtssaal gebracht - in Richtung Gefängnis. Der Teenager kann bei guter Führung laut Gericht in drei Jahren damit rechnen, wieder auf freien Fuß zu kommen, wenn der Rest der Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Der Vater hat diese Perspektive so schnell nicht. (dpa)
- wie die Politik ein ernsthaftes Problem in unverantwortlicher Weise zur Herausforderung umettikettiert und zur Chance schönredet.
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