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Freitag, 18. Dezember 2015

"Man kann die meisten qualifizieren"

Hans Peter Wollseifer (Foto oben), Präsident der Handwerkskammer zu Köln, sieht in der Flüchtlingskrise die Chance, den erwarteten Fachkräftemangel in Deutschland abzumildern. 

Was würde der Handwerksunternehmer, der Sie sind, sagen: Kann die Flüchtlingskrise zu einer Chance für die deutsche Wirtschaft werden? Oder ist sie vor allem kostenträchtige Belastung? 
 Die Wirtschaft braucht 600 000 Fachkräfte. 40 Prozent der Betriebe im Handwerk haben Probleme, offene Stellen zu besetzen, übrigens auch hier bei uns in der Region. Aber die Betonung liegt auf Fachkräfte, und die, die kommen, sind nicht alles Fachkräfte. 


Also doch eher eine Belastung? 
Die Flüchtlinge sind ja überwiegend junge Leute, und wir sehen die große Chance, sie in Qualifizierung und Arbeit zu bringen. Die Flüchtlinge werden nicht die Lösung unseres Fachkräfteproblems sein, aber sie können ein Mosaikstein dazu sein. 

Was muss denn geschehen, damit aus Flüchtlingen Fachkräfte werden? 
Die Behörden müssen die Menschen schnell registrieren, schnell ihre Asylanträge bearbeiten, wir müssen erfahren, was sie können. Das Handwerk kann dabei helfen, die Menschen durch Ausbildung zu qualifizieren. Die Betriebe sind dazu bereit. Wir haben in NRW gerade eine Praktikumsbörse für Flüchtlinge gestartet. Und in Köln werden in unserem Ausbildungszentrum gerade 20 Flüchtlinge auf eine Ausbildung vorbereitet. 

Ein Tropfen auf dem heißen Stein... 
Wir können viel mehr leisten. Das Handwerk hat 530 Bildungsstätten. 

Nennen Sie mal eine Zahl ... 
Wenn jede Bildungseinrichtung nur 40 Migranten für die Vorqualifizierung aufnimmt, für mehrmonatige Lehrgänge, hilft das über 20 000 Flüchtlingen. Wir benötigen aber die Unterstützung der Ministerien und der Bundesagentur für Arbeit. 

Welche Rolle spielt die Beherrschung der Sprache? 
Ohne Deutschkenntnisse kann niemand in einem Handwerksbetrieb arbeiten, mit Kunden oder Kollegen umgehen oder der Berufsschule folgen. Die Flüchtlinge müssen auch in der Lage sein, berufskundliche Begriffe zu verstehen. Wir müssen uns im Betrieb fachlich unterhalten können, das ist elementar. 

Was halten Sie von der Idee, den gesetzlichen Mindestlohn für Flüchtlinge auszusetzen, um ihren Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern? 
Ich bin kein Freund des gesetzlichen Mindestlohns. Aber jetzt haben wir ihn, und sollten ihn für die Flüchtlinge auch nicht senken. Ich möchte nicht, dass Deutsche und Flüchtlinge beim Zugang zum Arbeitsmarkt gegeneinander ausgespielt werden. 

Experten sagen, dass viele Flüchtlinge so schlechte Grundqualifikationen mitbringen, dass sie gar nicht ausbildungsfähig sind... 
In Ländern wie Afghanistan oder in Syrien tobt jahrelang, teilweise jahrzehntelang Krieg. Man kann sich ausmalen, dass viele junge Menschen aus diesen Ländern eine Schulbildung in unserem Sinne deshalb nicht kennen. Der Bildungsgrad der Migranten ist aber manchmal auch sehr gut. Das Handwerk ist für alle offen. Wir bieten je nach Vorqualifikation und Bildungsstand Möglichkeiten der Ausbildung und Unterstützung. Ich glaube, man kann die meisten Menschen auf eine Tätigkeit, die ihnen liegt, qualifizieren. 

Wie viele von den Menschen, die kommen, werden in Deutschland einen Job finden? 
Wenn es uns gelingt, die arbeitsfähigen Flüchtlinge auf den nötigen Ausbildungsstand zu bringen, werden wir sie im Arbeitsmarkt auch unterbringen können. 

Wie lange braucht es, bis jemand, der die deutsche Grenze überquert hat, einen qualifizierten Job aufnehmen kann? 
Wir bilden derzeit Flüchtlinge aus, die vorher bereits 18 Monate oder länger hier waren, bis ihr Asylantrag angenommen wurde. Sie konnten in dieser Zeit passabel deutsch lernen und haben in der Berufsschule kaum Probleme. Wie lange es jetzt, angesichts der großen Zahlen dauern wird, kann ich nicht abschätzen. Aber die Behörden haben beschleunigte Verfahren versprochen und schnelle Deutschkurse. 

Und wenn ein Flüchtling schließlich noch ausgebildet werden muss? 
 Das dauert drei bis dreieinhalb Jahre Ausbildungszeit. Die ist gut investiert, denn wie vorhin gesagt, wir brauchen in Deutschland Facharbeiter, keine Schubkarren-Schubser. Und die meisten Flüchtlinge sind durchaus ehrgeizig. In den Betrieben in Deutschland treffen schon heute Beschäftigte mit unterschiedlicher Herkunft, Religion, Tradition aufeinander. 

Sind da nicht Konflikte, die sich noch verstärken werden, eigentlich programmiert? 
In meinem eigenen Betrieb hatte ich Kurden, die neben Türken gearbeitet haben, Russen neben Kasachen, Iren neben Engländern. Man hätte also Konflikte erwarten können, aber es ist nichts passiert. Die Leute haben eine Aufgabe, die sie erledigen müssen. Je kleiner das Team ist, wie im Handwerk oft der Fall, desto stärker sind sie aufeinander angewiesen. 

Und was ist mit religiösen Unverträglichkeiten? 
Ein Muslim kann nicht in einer Fleischerei arbeiten, wo Schweinefleisch verarbeitet wird. Wir haben auch türkische Metzgereien als Mitglied in unseren Handwerksinnungen. Aber grundsätzlich ist es richtig: Von den Menschen, die zu uns kommen, dürfen wir verlangen, dass sie nach unseren Werten leben. Nicht wir müssen uns ändern, sondern diejenigen, die kommen, müssen sich anpassen. Auch wenn es einem jungen Muslim vielleicht schwer fällt, wenn er eine Frau als Vorgesetzte hat - das muss er lernen, zu akzeptieren.

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