BRÜSSEL. Den Begriff "Asyl-Shopping" hätte man von Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos wohl kaum erwartet. Er fiel, als der Grieche jetzt umriss, wie die sehr unterschiedlichen Asylverfahren in den Mitgliedstaaten harmonisiert werden können. Weil das bisherige System auf Mindeststandards basiert, gibt es de facto 28 unterschiedliche Verfahren - mit variierenden Anerkennungsraten - und Ungleichbehandlung der Hilfesuchenden. "Das ist ein Anreiz, irregulär in andere Mitgliedstaaten zu ziehen", führte Avramopoulos aus. "Asyl-Shopping" sei das - und das gelte es zu vermeiden.
Dem will die Kommission mit ihrem Vorschlag, ein völlig vereinheitlichtes, gemeinsames EU-Verfahren zur Beurteilung von Anträgen auf internationalen Schutz einzuführen, entgegenwirken. Zudem sollen Verfahren vereinfacht und Anträge schneller bearbeitet werden: Eine Entscheidung muss binnen sechs Monaten fallen. Maximal zwei Monate sind für unzulässige oder offensichtlich unbegründete Asylanträge vorgesehen. Wer gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen will, muss dies je nach Verfahren innerhalb einer Woche beziehungsweise eines Monats tun. Der Fall wird dann binnen zwei bis sechs Monaten von einem Gericht entschieden. Dafür soll den Flüchtlingen künftig ein Anwalt kostenlos gestellt werden.
Gleichzeitig müssen Flüchtlinge mit Sanktionen, die bis zu ihrer Abschiebung führen können, rechnen: Etwa, wenn sie nicht mit den Behörden zusammenarbeiten, unerlaubt in andere Mitgliedstaaten ziehen oder ein gerichtliches Verfahren missbrauchen.
Entstehen soll demnach ein System, "das sich großzügig zeigt gegenüber den Verletzlichsten, aber streng gegenüber jenen, die es missbrauchen wollen", so Avramopoulos.
Eine Linie, die man im Parlament kritisch aufnahm: Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel fürchtete um die Grundrechte der Flüchtlinge: Zwar begrüßte sie eine "Europäisierung" der Asylverfahren. Diese dürfe "aber nicht zur Absenkung existierender EU-Standards führen", warnte sie. "Abschreckung und Sanktionen sollen zur Leitlinie des gemeinsamen europäischen Asylsystems werden", kritisierte die Grünen-Politikerin Ska Keller.
Bislang sieht die sogenannte Dublin-Regelung vor, dass der Mitgliedstaat, über den ein Flüchtling in die EU einreist, auch für dessen Asylantrag zuständig ist. Nach dem neuen System soll ein "Fairness-Mechanismus" bei besonders hohen Migrationsströmen eine automatische Umverteilung auf andere Mitgliedstaaten auslösen.
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