20.000 Flüchtlinge. So viele kamen im vergangenen Herbst noch innerhalb einiger Tage über die Grenze. Nun ist es die Zahl von einem ganzen Monat, dem März. Zum Vergleich: Im November wurden noch mehr als 200.000 Flüchtlinge in Deutschland neu registriert.
Doch seitdem die Staaten entlang der Balkanroute nach und nach ihre Grenzen abschotteten und am Ende ganz dicht machten, schaffen es nur noch wenige Schutzsuchende, sich bis nach Deutschland durchzuschlagen. Doch wer meint, die Flüchtlingskrise sei damit bewältigt und Probleme der obersten Asyl-Behörde erledigt, täuscht sich.
Warum?
Durch den enormen Flüchtlingsandrang 2015 ist ein riesiger Rückstau beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entstanden. Es hat sich ein Berg an unerledigten Asylanträgen angesammelt - fast 410.000 sind es inzwischen. Die Zahl ist gerade noch weiter gestiegen. Die Behörde kommt mit der Arbeit seit langem nicht hinterher, trotz mehr Personal.
Viele Menschen müssen daher nach ihrer Ankunft in Deutschland lange warten, bis sie überhaupt förmlich Asyl beantragen können. Im Moment sind etwa 300.000 bis 400.000 Menschen in diesem Schwebezustand. Ihre Verfahren kommen auch noch auf das BAMF zu.
Das heißt, die Zahl der Asylanträge steigt, obwohl die Zahl der neu registrierten Flüchtlinge sinkt?
Ja. Das sieht nach einem Widerspruch aus, aber nur auf den ersten Blick. Bei der Ankunft in Deutschland werden Flüchtlinge erst mal registriert und im EASY-System erfasst - einem IT-System zur "Erstverteilung von Asylbegehrenden". Erst in einem weiteren Schritt stellen sie einen Asylantrag. Und wegen der Überlastung des BAMF vergehen zwischen beiden Schritten eben oft Wochen und Monate.
Im Herbst und Winter lagen die EASY-Zahlen immer deutlich über den Antragszahlen. Nun ist das Gegenteil der Fall: Im März beantragten fast 60.000 Menschen in Deutschland förmlich Asyl - während nur 20.000 Flüchtlinge neu im EASY-System registriert wurden. Das liegt daran, dass nun eben nach und nach und mit viel Verzögerung jene förmlich Asyl beantragen, die schon seit längerem im Land sind.
Dauern die Asylverfahren denn nun nicht mehr so lange, wenn weniger Flüchtlinge kommen?
Nein, auch hier schlägt der Rückstau voll durch. Durch die große Zahl der Altfälle ist die durchschnittliche Dauer der Verfahren insgesamt von 5,2 auf 6 Monate gestiegen. Es gibt aber große Unterschiede von Fall zu Fall.
Anträge von Menschen aus "sicheren Herkunftsstaaten" wie den Balkan-Ländern werden inzwischen innerhalb einiger Tage bearbeitet. Menschen aus bestimmten anderen Herkunftsländern warten immer noch mehr als ein Jahr auf ihren Asyl-Bescheid. Und: Diese Zahlen beziehen sich nur auf die Zeit zwischen Antragstellung und Bescheid. Die Wartezeit vorher und die mögliche Verzögerung durch Klagen nachher sind nicht einberechnet. Gegen 45 Prozent der negativen Asyl-Bescheide wird geklagt.
Ist mit einem weiteren Rückgang der Flüchtlingszahlen zu rechnen?
Das ist schwer vorherzusagen. Viel hängt davon ab, wie es weitergeht mit der Rückführung von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei - und ob sich nach der Schließung der Balkanroute neue Fluchtwege entwickeln. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) etwa rechnet bald mit einem großen Andrang von Flüchtlingen aus Afrika. "Nach unseren Informationen warten allein in Libyen 100.000 bis 200.000 Afrikaner, die aus Staaten südlich der Sahara kommen, auf ihre Überfahrt nach Europa", sagt er.
Innenminister Thomas de Maizière (CDU) meint, die Zahl könnte eher noch größer sein. "Der Migrationsdruck bleibt hoch." Eine Prognose für das Gesamtjahr traut sich de Maizière noch nicht zu. Dies wäre zum jetzigen Zeitpunkt unseriös, meint er.
Werden nun Asyl-Unterkünfte geschlossen?
Angesichts der ungewissen Entwicklung findet de Maizière, auch dafür sei es zu früh. Er plädiert dafür, leerstehende Einrichtungen nicht zu schließen, sondern sie "einzumotten", also erst mal nur stillzulegen, damit sie notfalls schnell reaktiviert werden könnten.
Laufen die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich nun bald aus?
Eingeführt wurden sie Mitte September wegen des großen Flüchtlingsandrangs, und danach gab es mehrere Verlängerungen - zuletzt bis Mitte Mai. De Maizière hat ein Ende der Kontrollen ins Gespräch gebracht, aber nur für den Fall, dass die Flüchtlingszahlen niedrig bleiben, dass die Sicherheitslage es zulässt und der Schutz der EU-Außengrenzen gewährleistet ist.
Schon mit der vagen Ankündigung handelte sich de Maizière mächtig Zorn aus Bayern ein. Entschieden ist noch nichts. Das wird erst im Mai passieren.
- wie die Politik ein ernsthaftes Problem in unverantwortlicher Weise zur Herausforderung umettikettiert und zur Chance schönredet.
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