Berlin. In der vergangenen Woche wollte die Polizei in Berlin-Wedding nach eigener Darstellung einen elfjährigen "kiezorientierten Mehrfachtäter" zur Rede stellen, der laut Zeugenaussagen mehrfach versucht haben soll, ein "offen stehendes Auto" zu starten.
Als die Beamten eintrafen, kam es zu einem Auflauf von mehreren Dutzend Menschen, darunter Mitglieder der Familie des Jungen. Aus der Menge heraus wurden Polizisten beschimpft, vereinzelt auch angegriffen. Mehrfach wurde nach Polizeiangaben aus der Ansammlung heraus gerufen: "Haut ab, das ist unsere Straße!"
Während der Junge angibt, sich ruhig verhalten zu haben, erklärt die Polizei, dass er "sofort aggressiv reagierte". Weite Teile der Politik verurteilten den Vorfall und beklagten schwindenden Respekt vor der Polizei.
Der frühere Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) sieht in dem Vorgang einen Beleg dafür, dass Migranten mit arabischen und türkischen Wurzeln glauben, außerhalb des Rechts zu sein.
Die Welt: Herr Buschkowsky, nach dem Vorfall im Soldiner Kiez nannte es Innensenator Frank Henkel (CDU) "unerträglich, wie unsere Polizei hier attackiert und an ihrer Arbeit gehindert wird". Was sagen Sie dazu?
Heinz Buschkowsky: Unerträglich stimmt. Aber neu sind solche Vorfälle nicht. Wir kennen seit Jahren diese Zusammenrottungen, versuchte Gefangenenbefreiungen und direkte Angriffe auf Polizeibeamte oder alle, die eine Uniform tragen. Von der Feuerwehr bis zum Roten Kreuz. Viele Polizisten haben Bücher über ihren Berufsalltag geschrieben. Sie füllen ganze Bücherwände.
Die Welt: Warum ist nichts passiert?
Buschkowsky: Das müssen sie den Herrn Innensenator fragen. Etwas dagegen zu tun, liegt in seiner politischen Verantwortung. Wir erleben immer wieder, dass in bestimmten Stadtteilen die staatliche Autorität nicht anerkannt wird. Das gibt es auch in anderen Städten wie Bremerhaven, Duisburg oder Essen. Es sind Gebiete mit hohen arabischen und türkischen Bevölkerungsanteilen.
Die Welt: Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Buschkowsky: Die Gruppe von Migranten, über die wir reden, verachtet den deutschen Staat. Sie ist schlicht der Meinung, dass ihre Wohngegend auch ihr Herrschaftsgebiet ist. Sie macht das durch Beschimpfungen wie "scheiß deutsche Polizei, scheiß Deutsche, scheiß Christen" deutlich. Gerade junge Männer haben nicht die geringsten Hemmungen, Polizeibeamte zu bespucken oder zu verprügeln, wenn es um "ihre" Straße geht. Einen Platzverweis befolgt man nicht, sondern quittiert ihn mit einem Faustschlag. Versuche, Streifenwagen umzukippen oder die Dienstwaffe zu entwenden, alles ist drin, das volle Programm. Greifen die Beamten einmal zu, ist das Gejammer über einen blauen Fleck aber recht mädchenhaft.
Die Welt: Und woher kommt es, dass die Polizei als Spielball anstatt als staatliche Autorität angesehen wird?
Buschkowsky: In Deutschland verkörpert der Polizist den Staat, also uns alle. Er ist Träger des Gewaltmonopols und was er oder sie anordnet, ist erst einmal zu befolgen. So bin ich sozialisiert und so lauten die Regeln unseres Zusammenlebens in einem Rechtsstaat. Aber nicht für alle. Da gibt es Menschen, die meinen, dass sie als stolze Kämpfer sich nichts sagen lassen müssen. Den Polizisten, der etwas Unbequemes von mir will, den mache ich nieder. Schaffe ich es nicht allein, kommen mir andere Kämpfer meiner Community zu Hilfe. Dann hauen wir den Polizisten gemeinsam um. Er hat ja hier nichts zu suchen in unserem Gebiet.
Die Welt: Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern?
Buschkowsky: Der Staat, also Polizei und Justiz, muss Flagge zeigen und sich konsequent durchsetzen. Das ist leichter gesagt als getan, wenn man sieht, wie nach jedem heftigen Vorfall die Einsatzkräfte auf der Anklagebank sitzen und das Bespucken nicht mit einer Kugel Eis belohnt haben. Wir haben harte Strafandrohungen für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Haben Sie schon einmal von einem knackigen Urteil gehört? Ich nicht. Der Angeklagte weint, es tut ihm alles leid und im Übrigen habe die Polizei provoziert. Alle waren eigentlich friedlich, bis die Polizei kam. Dafür gibt es maximal ein Über-den-Kopf-streicheln und vier Wochen auf Bewährung. Der reuige Sünder bekommt zu Hause fast einen Erstickungsanfall vor Lachen. Beim nächsten Zoff ist er in der ersten Reihe wieder dabei. So kommen wir nie weiter. Es muss eine klare Regel geben: Wer Polizeibeamte körperlich angreift, fährt ein. Punkt um.
Die Welt: Aber nur härtere Strafen können es doch nicht sein, oder?
Buschkowsky: Nein, Gerichte und Strafen stehen immer am Ende. Gewalt und Gewaltbereitschaft beginnen schon in der Familie, in der Kita und in der Schule. Schauen wir uns doch die Liste der Intensivtäter und der sogenannten "polizeibekannten Personen" an. Hier sind bestimmte Bevölkerungsgruppen aus dem Migrationsbereich deutlich überrepräsentiert. Da müssen wir ansetzen. Schon Kinder müssen lernen, dass nicht der Recht hat, der am härtesten und schnellsten zuschlägt, sondern der, der schneller denkt. In Berlin gibt es etwa 7000 Straftäter zwischen 8 und 14 Jahren. Der große Bruder darf als Gewalttäter kein Vorbild sein, sondern muss im Knast Zeit haben, über seine Taten und deren eventuelle Folgen für die Opfer nachzudenken. Polizisten sind unserer aller Schutzinstitution. Der Angriff auf sie gilt auch Ihnen und mir. Deswegen müssen auch Sie und ich uns wehren.
Die Welt: Was raten Sie also Frank Henkel?
Buschkowsky: Seinen Job zu tun und sich vor seine Polizei zu stellen. Dazu gehören mehr Beamte, bessere Ausstattung, intakte Gebäude und hin und wieder ein gutes Wort ohne volle Hosen vor der Opposition. Innensenator zu sein, ist nun einmal kein Urlaub auf dem Ponyhof.
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