Bad Godesberg war früher das Diplomatenviertel von Bonn. Heute prägen verschleierte Frauen und arabische Läden das Straßenbild. Viele Alteingesessene fühlen sich nicht mehr heimisch, berichtet Daniel Heinrich.
Sabine Galuschka kennt hier alle. Die 57-Jährige betreibt mitten in Bad Godesberg einen kleinen Blumenladen direkt an der Hauptstraße. Die Gespräche mit ihren Kunden gehen oft über das Geschäftliche hinaus. Die aktuelle Debatte um ein "Burka-Verbot" in Deutschland? Sie seufzt: "Ich finde das einfach nicht sehr schön, dass alle hier verschleiert herumlaufen. Wir gehen ja auch nicht verschleiert auf die Straße."
Galuschka wirkt besorgt: "Ich würde einfach gerne wissen, wer sich hinter dem Schleier verbirgt."
Nicht "alle" Frauen in Bad Godesberg sind verschleiert. Streift man durch die Innenstadt, bieten sich an einem warmen Sommertag vielmehr starke Kontraste. Auf der einen Seite junge Mädchen in Hotpants und Tops, auf der anderen Seite viele Frauen mit Kopftüchern. Auch einige Frauen mit Niqab, dem Ganzkörperschleier, der lediglich die Augen freilässt, sind zu sehen. Eine Frau mit Burka, also mit Komplettverschleierung, ist weit und breit nicht zu entdecken.
Eine Passantin hält an, sie ist schwer beladen mit Einkaufstüten. "Wissen Sie was, ich kann über die Araberinnen hier nichts Böses sagen. Die meisten sind nett zu mir, manche grüßen auch. Aber ich finde es einfach schade, dass sie ihr Gesicht nicht zeigen." Sie hält inne. Sie ist sichtlich darum bemüht, dass ihr kein falsches Wort über die Lippen rutscht: "Diese ganze Verschleierung, das gehört wohl zu deren Kultur, die machen das bestimmt nicht, um uns zu ärgern." Allerdings finde sie schon, schiebt sie hinterher, "wenn man in ein anderes Land geht, dann muss man sich den Gepflogenheiten des Landes anpassen, sonst muss man woanders hingehen."
Ihren Namen will sie nicht nennen, ein Foto lehnt sie auch ab.
"Burka-Verbot", "Flüchtlingsdebatte": Viele Gesprächspartner in Bad Godesberg wollen sich zu diesen Themen nicht äußern und sagen, sie hätten vor allem Angst, in die "rechte Ecke" gestellt zu werden. Viele Gerüchte gibt es in diesem Stadtviertel von Bonn, viel wird unter der Hand erzählt. Von "Strohmännern" ist die Rede, die für arabische Geschäftsleute Wohnungen kaufen würden. Andere wiederum erzählen, "die Araber" würden 20 Euro pro Quadratmeter bezahlen. Ein Mann mittleren Alters sagt: "Das ist schon eine Doppelmoral hier. Arabisches Geld möchten alle, aber die Menschen, die dahinter stecken, nicht." Auch er möchte unerkannt bleiben, möchte nicht ins Mikrofon sprechen.
Der Versuch, mit arabischen Geschäftsleuten ins Gespräch zu kommen, scheitert. Man wolle "keinen Ärger", so die gängige, knappe Antwort. Als Ding der Unmöglichkeit erweist es sich, mit einer der verschleierten Frauen oder ihren Begleitern ins Gespräch zu kommen. Die meisten schlagen die Hände vors Gesicht, huschen weg, sobald sie das Mikrofon sehen.
Zurück im Blumenladen bei Frau Galuschka findet sich doch noch eine Kundin, die reden will. Simone Lavan, 50 Jahre alt und gerade mit ihrem Hund unterwegs. Fotografieren lässt sie sich nicht. Ein Burka-Verbot hält sie für überflüssig, das kratze doch nur an der Oberfläche. Die wahren Probleme lägen woanders: "Bei arabischen Männern erlebe ich jeden Tag diese Vorurteile gegenüber Frauen. Sie brauchen hier nur mal in jedes X-beliebige arabische Cafe zu gehen. Jedes Mal, wenn man auch nur an einem dieser Läden vorbeigeht, wird man als Frau schief angeguckt." Angst bekomme sie zwar davon nicht, so Lavan weiter: "Aber mich macht das traurig, dass man im eigenen Land so schlecht behandelt wird."
Viel mehr als die politischen Debatten bedrücke sie ohnehin die Wandlung im Straßenbild. Erst kürzlich habe mit dem "Aennchen" eines der letzten "typischen" Godesberger Gasthäuser schließen müssen: "Überall kommen jetzt diese Shisha-Bars hin, überall hängt dieser süßliche Geruch in der Luft." Lavan wirkt jetzt ein wenig verzweifelt. "Man hat hier nicht mehr viel Deutsches, oder Italienisches. Überall steht jetzt alles auf Arabisch."
"Überall", "alles": Ähnlich wie bei der Verschleierung scheinen auch hier Verallgemeinerungen schwierig. Dennoch, schon auf der Rückfahrt, noch der kurze Blick in die örtliche Filiale einer großen deutschen Supermarktkette. Und tatsächlich: Neben Deutsch und Englisch sind die Waren auch auf Arabisch ausgeschrieben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen