Die Aufklärungsquoten bei Einbruch, Auto- oder Fahrraddiebstahl sind extrem niedrig, die Fallzahlen steigen bundesweit, die Ermittler sind wegen vieler Sparrunden überlastet. Die Machtlosigkeit, mit der Polizei und Justiz dem Phänomen der Alltagskriminalität zuletzt gegenübertraten, verunsichert die Bürger zutiefst.
Das ungleiche Kräfteverhältnis spiegelt sich in den Aufklärungsquoten wider. Im Bund sank sie bei Wohnungseinbrüchen von 15,9 auf 15,2 Prozent. In anderen Bereichen sieht es nicht besser aus. Bei der Straßenkriminalität weist die aktuelle Statistik eine Aufklärungsquote von 15,9 Prozent aus, beim Diebstahl aus Fahrzeugen liegt sie bei 9,3 und beim Taschendiebstahl gar nur bei 6,4 Prozent.
Wen man auch fragt, die Analyse fällt stets ähnlich aus: Es fehlt den Sicherheitsbehörden - und auch der Justiz - schlicht an Personal, adäquater Ausstattung, bundesweiter Koordinierung und schnellen Kommunikationswegen.
Mehr als ein Jahrzehnt lang war der Bereich Innere Sicherheit bei Bund und Ländern das Revier der Sparfüchse. Von ursprünglich 260 000 Stellen wurden nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) seit dem Jahr 2000 bundesweit rund 16 000 Stellen abgebaut. Ein fataler Lockruf an die international operierende organisierte Kriminalität, für die nach Ansicht von Experten in den Kriminalämtern und Polizeidienststellen im Bereich Alltagskriminalität die niedrigen Aufklärungsquoten, ansprechende Gewinnmargen, hervorragende Verkehrswege und unkontrollierte Grenzregionen nahezu perfekte Marktbedingungen bieten.
Deshalb fordern Polizeivertreter und Innenpolitiker der großen Koalition deutlich mehr Personal und bessere Technik für die Ermittlungsarbeit. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wird von Innenexperten der Regierungsfraktionen gedrängt, im diesjährigen Haushalt weitere Millionen zuzuschießen. Der Stellenzuwachs von 3000 zusätzlichen Bundespolizisten, der im vergangenen Jahr vom Bund beschlossen wurde, reiche bei weitem nicht aus, und auch die 1130 zusätzlichen Posten, die im aktuellen Haushaltsentwurf verankert seien, müssten angesichts der dramatischen Lage in den nächsten Jahren deutlich aufgestockt werden, so die einhellige Meinung.
"Die Polizei hat zu lange von der Substanz leben müssen", sagte der Obmann der Union im Innenausschuss, Armin Schuster. "Die Rechnung bezahlen wir jetzt." Man habe im Bund zwar die Trendwende eingeleitet, "aber das darf noch nicht das Ende sein", so Schuster: "Wir brauchen in den nächsten fünf Jahren einen Aufwuchs um weitere 5000 Stellen, um dem Aufgabenzuwachs gerecht zu werden."
Aber nicht nur die Sparrunden haben die Polizeiarbeit erschwert. Die Dienstellen wurden mit immer neuen Aufgaben und verschärften Konfliktlagen konfrontiert, weshalb die Alltagskriminalität aus dem Blickfeld geriet. Der Abwehrkampf gegen internationalen Terror bindet enorme Kräfte. Polizisten von Bund und Ländern müssen Fußballspiele mit immer größerem Aufwand sichern. Im vergangenen Jahr mussten außerdem Hunderttausende Flüchtlinge registriert werden.
Hinzu kommt, dass das Internet Kriminellen völlig neue Welten und Märkte eröffnet, während die Polizisten nicht einmal sicher sein können, ob ihr Digitalfunkgerät in allen Winkeln der Republik funktioniert.
Diese technische Unterlegenheit macht den Ermittlern ebenfalls zu schaffen. Denn die Zeiten, in denen ein lokal verorteter Räuber Marke "Hotzenplotz" regional begrenzt sein Unwesen treibt, sind schon lange vorbei. Banden, häufig von Osteuropa aus gesteuert, agieren extrem flexibel, erkennbar an den Kriminalitäts-Hotspots, die sich oft entlang der Autobahnen voranbewegen und sich dabei nicht um Ländergrenzen scheren, was die Arbeit der Ermittler zusätzlich erschwert. Ein gemeinsames Verfahren über Ländergrenzen hinweg zu koordinieren, scheitert aber vielfach schon am Informationsaustausch, weil die IT-Systeme oft schlicht nicht kompatibel sind.
Sicherheitspolitiker beklagen seit Jahren und parteiübergreifend die Missstände, aber erst die steigenden Flüchtlingszahlen und auch die Übergriffe auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht machten die Parteiführungen für die Anliegen der Fachpolitiker sensibel. Denn auch wenn bisher kein wissenschaftliches Gutachten und keine Statistik eine durch die Flüchtlinge verursachte signifikante Steigerung der Kriminalitätsentwicklung nachweist, so dämmerte den Parteispitzen im Bund gleichwohl schnell, dass die Verunsicherung durch den Flüchtlingszuzug, verbunden mit dem Gefühl der Unsicherheit im täglichen Leben, eine politisch hochexplosive Mischung ergibt. Seitdem hat Innere Sicherheit wieder eine höhere Priorität.
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