WIEN. "Wir stehen nicht vor einem Problem, das heuer vorbei sein kann, sondern es ist ein Generationenproblem." Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) formulierte in einem Interview der Zeitung "Der Standard" seine politische Botschaft in der Flüchtlingskrise. Millionen von Migranten werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten auf eine lebenswerte Zukunft in der EU hoffen - und jeder Baustein zu einer fundamentalen Lösung ist gefragt. Bausteine dieser Art wollte Kern bei dem Flüchtlingsgipfel von elf europäischen Staaten am Samstag in Wien zusammentragen.
Viel Konkretes oder gar grundlegend Neues ist nicht herausgekommen.
Klar wurde, dass die Rolle der europäischen Grenzschutzagentur Frontex gestärkt werden soll. Diverse Staaten, darunter vor allem Griechenland, hätten großes Interesse am Einsatz der europäischen Grenzschutzwache, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Abschluss der etwa vierstündigen Beratungen. Von Oktober an wird Frontex über etwa 1000 schnell einsetzbare Grenzschutzbeamte verfügen, was den Schutz der Außengrenzen verbessern soll.
Der Andrang der Flüchtlinge ist nämlich selbst auf der weitgehend geschlossenen Balkanroute nicht vollends zum Erliegen gekommen. Rund 50 000 Menschen hätten auf diesem Weg in diesem Jahr Deutschland erreicht, sagte Österreichs Kanzler zur angeblich so unüberwindbaren Grenze. Bemerkenswerterweise sieht auch die EU die Sinnhaftigkeit einer Schließung der Balkanroute inzwischen ein. Es gelte, diese Route für illegale Migration "für immer dicht" zu machen, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Lange Zeit hatte die EU solche nationalstaatlichen Lösungen in Bausch und Bogen verdammt.
Für Merkel ist weiterhin das gesamte Bündel an möglichen Maßnahmen der entscheidende Hebel. Sicherung der Außengrenzen, Rückführungen und entsprechende Abkommen mit Ländern in Nordafrika sowie Afghanistan und Pakistan, aber auch Hilfe für Migranten. Sie bestätigte, dass die Bundesrepublik pro Monat mehrere Hundert Flüchtlinge mit Bleiberecht aus Italien und Griechenland übernehmen werde. Gerade für diese Menschen sei eine Perspektive nötig. "Wir wollen insgesamt Illegalität bekämpfen und Legalität stärken", plädierte sie für Grenzen, die für wirklich bedrohte Menschen offen bleiben müssten.
Dass auf dem Gipfel nicht nur Einigkeit herrschte, signalisierte ein Anruf des serbischen Regierungschefs Aleksandar Vucic bei seinem Außenminister Ivica Dacic in Belgrad. Er sei unzufrieden mit dem Treffen, sagte er seinem Chefdiplomaten. Einmal mehr habe sich gezeigt, dass die beteiligten Länder einen ganz unterschiedlichen Zugang zu diesem Problem hätten. Serbien drohe daher, ein Opfer dieser Meinungsverschiedenheiten zu werden. Das Land ist im Zentrum der Balkanroute besonders von der Flüchtlingskrise betroffen.
Ungarns rechtskonservativer Ministerpräsident Viktor Orban, der am 2. Oktober seinen Anti-Flüchtlingskurs von der Bevölkerung per Volksabstimmung absegnen lassen will, sieht in Libyen einen zentralen Schlüssel zur Lösung des Problems. Die EU müsse in dem Bürgerkriegsland für eine stabile politische Lage sorgen und dort "große Lager für Millionen Menschen einrichten, die wir versorgen, eine Schutzzone an der Küste" - so sein Vorschlag. "Wenn wir das nicht schaffen, können wir böse Überraschungen erleben", orakelte Orban. (dpa)
- wie die Politik ein ernsthaftes Problem in unverantwortlicher Weise zur Herausforderung umettikettiert und zur Chance schönredet.
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