KÖLN/BONN. Willkommenslotsen für Flüchtlinge, Unterstützung bei der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, Beratung für Unternehmen - auf vielfältige Weise engagieren sich Industrie- und Handelskammern bei der Integration von Flüchtlingen. Darüber sprach Ralf Arenz (und zwar eindeutig tendenziös) mit den IHK-Präsidenten aus Köln und Bonn/Rhein-Sieg Werner Görg und Wolfgang Grießl.
Gibt es in der Region schon einen Flüchtling, der einen Ausbildungsplatz hat?
Görg: Ja, den gibt es, und auch einen Praktikanten bei der Industrie- und Handelskammer zu Köln selbst. Bei den Aktivitäten für junge Flüchtlinge haben wir zurzeit auch 50 junge Menschen, die Sprachförderung erhalten, und darüber hinaus Praktika bei Mitgliedsunternehmen der IHK Köln absolvieren werden. Wir haben 70 Unternehmen, die sich bereit erklärt habe, nach einer gewissen Sprachförderung Praktikums- und Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.
Grießl: Im Bereich der IHK Bonn/Rhein-Sieg gibt es etwa zehn Flüchtlinge, die einen Ausbildungsplatz haben oder eine Einstiegsqualifizierung erhalten. Wir haben 50 Arbeitgeber, die 150 Stellen für eine Ausbildung zur Verfügung stellen, und 40 Arbeitgeber bieten Plätze für eine Einstiegqualifizierung. 200 Arbeitgeber sind bereit, Flüchtlinge einzustellen. So viele Qualifikanten, die die Voraussetzungen dafür erfüllen, haben wir vermutlich gar nicht.
Woran hapert es?
Grießl: Wenn ein Flüchtling etwa aus Syrien kommt, der sagt, ich habe Maurer gelernt, entspricht das in der Regel nicht den Erwartungen, die ein Bauunternehmer an seine Arbeitnehmer hat. Mindestens ein Drittel der Flüchtlinge würden wir außerdem von den Kenntnissen her in das Schulniveau Förderschule bis Hauptschulabschluss einstufen.
Görg: Das sollte uns aber nicht den Mut nehmen, an allen denkbaren Stellen, die möglich sind, Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, zu integrieren. Integration beginnt mit dem Arbeitsmarkt. Die wesentliche Integrationsschwelle ist die Sprache.
Können die Flüchtlinge den Fachkräftemangel in Deutschland beseitigen?
Grießl: In Bonn/Rhein-Sieg fehlen in zehn Jahren nach den Prognosen knapp 30.000 Fachkräfte. Ich sehe nicht, wie das Problem durch Flüchtlinge mit Ausbildung gelöst werden kann. Deshalb müssen wir jede Möglichkeit nutzen, Menschen von außerhalb zu uns kommen zu lassen und die hier zu integrieren. Am wichtigsten ist dabei die Sprache. Und wo lernt man Sprache besser als am Arbeitsplatz? Wir müssen trennen zwischen dem Flüchtlingsthema und dem Einwanderungsthema. Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz.
Görg: Einwanderungsgesetze gehören in allen größeren Volkswirtschaften dieser Welt zum Standardrepertoire der Gesetzgebung. Und dann sollten wir auch zu Mitteln greifen, die andere Länder nutzen. Die USA und Kanada belohnen etwa Einwanderer, die in Regionen ziehen, die diese Länder ihnen vorgeben, mit einer Steuerprivilegierung. Solche Dinge müssen auch in Deutschland diskussionsfähig werden und dürfen nicht auf dem Altar einer Neiddebatte geopfert werden.
Dennoch: Wie groß könnte der Beitrag der Flüchtlinge zur Lösung des Fachkräftemangels sein?
Görg: Es wäre unseriös, zum jetzigen Zeitpunkt eine Zahl in die Welt zu setzen. Es ist allerdings ein eher bescheidener Beitrag. Nichtsdestotrotz sollte uns das nicht von allen Versuchen abhalten, diesen Zuzug an arbeits- und ausbildungswilligen jungen Menschen zur Besetzung von Fachkräftepositionen, die in Zukunft vakant sein werden, auszubilden und zu gewinnen.
Der Bedarf an Fachkräften ist regional aber sehr unterschiedlich ...
Görg: In den Zentren ist der Fachkräftemangel für die Wirtschaft schon ein entscheidungserheblicher Faktor für die Zukunft. In ländlichen Gegenden ist das Problem ungleich größer, weil die Attraktion einer Metropole fehlt. Arbeitsplatz und Gehalt müssten dann attraktiver sein, und das ist schwer. Die großen Zentren werden in der Tendenz in Zukunft auch mehr Flüchtlinge aufnehmen. Es sei denn, es wird zukünftig eine gewisse Residenzpflicht für Flüchtlinge in bestimmten Regionen geben, worüber man ernsthaft einmal nachdenken sollte.
Welche Hemmnisse für die Beschäftigung von Flüchtlingen sehen Sie?
Grießl: Ein großes Hemmnis ist noch die Vorrangregelung, die jetzt wenigstens teilweise außer Kraft gesetzt werden soll. Wir hören immer wieder von Unternehmern, dass sie jemand haben, der aber nicht arbeiten darf, weil noch unterschiedliche Prüfungen ausstehen.
Görg: Vor jeder Einstellung eines Flüchtlings muss noch geprüft werden, ob es einen deutschen Staatsangehörigen, EU-Bürger oder sonstigen bevorrechtigten ausländischen Arbeitnehmer gibt, der diesen Arbeitsplatz besetzen will. Diese Prüfungen sind mitunter schwierig. Damit sollten wir Schluss machen. Und nach einer dreijährigen Ausbildung muss ein zweijähriges Verbleiben der Menschen möglich sein, wie das jetzt auch geplant ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen