Oberberg. Kommissarische Kripochefin Marion Golde zur Kriminalität von Flüchtlingen
Gibt es eine spezielle Flüchtlingskriminalität in Oberberg?
Nein. Es gibt spezielle Delikte, etwa Verstöße gegen das Ausländer- oder das Asylbewerbergesetz, aber die sind in Oberberg kein Thema. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Zahl straffällig gewordener Flüchtlinge mit der Zahl der Menschen gestiegen ist, die im zurückliegenden Jahr in Oberberg angekommen sind. Aber das liegt ja auf der Hand. Denn es gilt allgemein: Mehr Menschen heißt auch mehr Straftaten.
Wegen welcher Delikte ermittelt die Polizei hauptsächlich gegen Flüchtlinge?
Etwa ein Drittel der Delikte sind Ladendiebstähle, ein Drittel Körperverletzungen, und das letzte Drittel betrifft alle möglichen anderen Delikte von der Beförderungserschleichung im Bus über Bedrohungen bis zum Diebstahl oder Raub - alles, was in der übrigen Bevölkerung auch vorkommt. Bei den Körperverletzungen ist 2016 die Zahl gegenüber dem Vorjahr gestiegen, bei den Ladendiebstählen ging sie zurück.
Gibt es konkrete Zahlen zur Kriminalität der Flüchtlinge in Oberberg?
Ja, diese liegen uns vor. Dazu ist allerdings zu bemerken, dass reine Zahlen, ohne dass man sie in Beziehung setzt, wenig aussagen. Die Zahl der Flüchtlinge in Oberberg ist nicht konstant. In den Übergangseinrichtungen gab es einen permanenten Wechsel. Es kommen bis heute wöchentlich neue Flüchtlinge an, und wöchentlich reisen auch wieder welche aus oder ziehen woanders hin. So kann keine Aussage getroffen werden, wie hoch der Anteil der straffällig gewordenen an der Gesamtzahl der Flüchtlinge ist. Sicherlich werden auch nicht alle Straftaten der Polizei bekannt.
Es sollen bald neue Gesetze kommen . . .
Ab Ende dieses Jahres sind neue Straftatbestände eingeführt. Dazu ergeben sich Änderungen in der statistischen Erfassung insbesondere im Bereich der Sexualstraftaten. Auch wird es ab 2017 möglich sein, Opferzahlen dezidierter darzustellen.
Wie hoch ist der Anteil der Flüchtlinge unter den Verdächtigen?
Bei den Diebstählen sind es derzeit in 2016 annähernd elf, bei den Körperverletzungen etwa zwölf Prozent. Aber auch diese Angaben muss man differenziert sehen. Bei manchen tatverdächtigen Zuwanderern handelt es sich um Mehrfachtäter. An dieser Stelle sei bemerkt, dass es sich insbesondere bei den Körperverletzungsdelikten, aber auch bei den Diebstahlsdelikten um Straftaten handelt, welche Flüchtlinge häufig untereinander begehen. Die meisten Flüchtlinge jedoch sind unbescholten und werden nicht straffällig.
Wie schwierig sind die Ermittlungen, zum Beispiel wegen der Sprachbarriere?
Sprachprobleme gibt es natürlich, aber sowohl in den Unterkünften als auch bei der Betreuung in den Kommunen gibt es Sprachmittler, die uns zu Beginn helfen. Im Rahmen der Ermittlungsverfahren greifen wir auf Dolmetscher zurück.
Arbeiten die Flüchtlinge denn mit der Polizei zusammen? Verstehen sie unsere Gesetze und was gemeint ist, wenn man ihnen sagt: "So läuft das nicht bei uns"?
Die Kooperationsbereitschaft hängt sehr von der Schwere des Delikts und der damit verbundenen Intensität unserer Ermittlungen ab. Eine empirische Untersuchung gibt es hierzu nicht.
Vertrauen die Flüchtlinge der Polizei und ihrer Arbeit?
Die unbescholtenen ja, bei denen mit krimineller Energie sieht das natürlich anders aus.
Gibt es Polizeiinformationen an die Flüchtlinge, etwa zur Vorbeugung, zum Eigenschutz oder über das deutsche Rechtssystem?
Beim Thema häusliche Gewalt haben wir Flugblätter in zahlreichen Sprachen, die wir an die Geschädigten verteilen. Darin steht, welche Hilfen angeboten werden, aber auch, was es etwa mit dem Betretungsverbot der Wohnung auf sich hat, das wir verhängen können.
Wie lernt die Polizei selbst, mit den Neuankömmlingen umzugehen?
Fortbildungen zu den kulturellen Unterschieden werden angeboten. Darin enthalten sind Informationen zum Verhalten und zur Deeskalation am Einsatzort für die Einsatzkräfte.
Wie gut hat sich die Polizei in Oberberg auf die Flüchtlinge einstellen können?
Oberberg ist, genau wie Gesamtdeutschland, von der Flüchtlingswelle ja überrollt worden. Aber wir haben sofort reagiert und in den Koordinierungsstäben mitgearbeitet, um die Situation in den Griff zu bekommen. Wir haben in der Behörde ein Team installiert, das auch Ansprechpartner für die Kommunen ist.
ZUR PERSON
Marion Golde ist Erste Kriminalhauptkommissarin und Leiterin der Führungsstelle der Direktion Kriminalität bei der Kreispolizeibehörde. Derzeit ist sie außerdem noch kommissarische Leiterin der Direktion Kriminalität. (kn)
Nicht erst seit dem Anschlag in Berlin, sondern schon nach den Verbrechen in Freiburg und Bochum, die Flüchtlingen zur Last gelegt werden, taucht erneut die Frage auf, ob und wie sehr die Neuankömmlinge in Deutschland straffällig werden. Über die aktuelle Lage in Oberberg hat Harald Knoop mit Marion Golde gesprochen, der Leiterin der Führungsstelle der Kriminalpolizei.
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