Ex-Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, über Fehler bei der Integration
Wenn Flüchtlinge monatelang ohne Beschäftigung vor ihrer Unterkunft herumlungern, kann Deutschland nur verlieren, glaubt Heinrich Alt. Er verlangt einen Plan.
Was muss möglichst schnell passieren, damit Integration durch Arbeit besser klappt?
Wir müssen diese elend langen Asylverfahren verkürzen. Auf eine Zeit von maximal drei Monaten. Ein Asylbewerber muss wissen, ob er bleiben kann. Auch ein Arbeitgeber braucht diese Sicherheit. Ein bis zwei Jahre warten - das ist Elend pur. Das hält Menschen von Arbeit ab, erzeugt Frust, Schwarzarbeit und Kleinkriminalität. Wir brauchen eine Beschäftigung vom ersten Tag an, und seien es Betriebsbesichtigungen.
Integrations- und Sprachkurse allein bringen es nicht?
Dieser Ansatz - Lern erst mal ein halbes Jahr deutsch. Wir gucken hinterher, wofür das gut ist - der ist demotivierend für viele Flüchtlinge. Wir müssen nicht aus jedem, der kommt, einen Dichter und Denker machen. Integrationskurse haben im Moment nur eine Erfolgsquote von 30 Prozent. Unser klassisch-schulischer Ansatz funktioniert insbesondere bei einem Analphabeten überhaupt nicht. Der muss sofort in die Praxis, damit er weiß, wofür er Deutsch braucht.
Was gilt es zu tun?
Die geplanten 24 Erstaufnahmeeinrichtungen müssen so früh wie möglich Kompetenzen, Talente und Interessen von Flüchtlingen erfassen. Wir brauchen für jeden schnell einen Integrationsplan, der gemeinsam mit den Menschen erarbeitet wird. Und daran orientiert sich dann, gut vernetzt, jede Behörde und Hilfsinitiative. Und wir brauchen eine Wohnsitzauflage, damit sich Integration gleichmäßig auf das ganze Land verteilt.
Wo hakt es noch?
Wir müssen die arabische Mentalität kennen. Handwerk gilt zum Beispiel oft als minderwertig. Wir müssen klar machen, was duale Ausbildung bei uns bedeutet, damit Zuwanderer unser Handwerk wertschätzen.
Wir dürfen Flüchtlingen Selbstständigkeit nicht per se verbieten. Viele Zuwanderer haben kaufmännische Talente, allerdings kein Diplom. Wir sollten deshalb auch über Gründungsförderung nachdenken.
Wir müssen auch weg von abstrakten Prüfungen, wenn einfache Jobs oder Zeitarbeit vergeben werden. Inländer sollen nicht unter Zuwanderung leiden. Aber wenn ein Arbeitgeber einen Flüchtling kennt und einstellen will, dann sollte er ihn nach einer kurzen und konkreten Prüfung, ob sich ein Inländer findet, auch kriegen. (dpa)
ZENTRALE ERGEBNISSE DES SOZIALBERICHTS "DATENREPORT 2016"
Das Statistische Bundesamt, die Bundeszentrale für politische Bildung sowie das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung haben gestern in Berlin den "Datenreport 2016 - ein Sozialbericht für die Bundesrepublik Deutschland" vorgestellt.
Altersstruktur: Migranten sind im Schnitt mit 35,4 Jahren deutlich jünger als Menschen ohne Migrationshintergrund (46,8 Jahre).
Berufsqualifikation: 35 Prozent der Bevölkerung mit Migrationshintergrund haben keinen berufsqualifizierenden Abschluss (ohne Migrationshintergrund: neun Prozent).
Erwerbstätigkeit: 65 Prozent der 15- bis 64-Jährigen mit Migrationshintergrund sind erwerbstätig (ohne Migrationshintergrund: 76 Prozent).
Einkommen: Der monatliche Nettoverdienst von Menschen mit Migrationshintergrund liegt bei durchschnittlich rund 2001 Euro (ohne Migrationshintergrund 234 Euro mehr). Menschen aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten verdienen im Schnitt 1789 Euro, Menschen aus den EU-15-Staaten 2860 Euro. Der Gehaltsunterschied zwischen einem niedrigen und einem mittleren Bildungsabschluss beträgt bei Migranten 272 Euro (ohne Migrationshintergrund: 311 Euro), zwischen einem mittleren und hohen Bildungsabschluss rund 683 Euro (ohne Migrationshintergrund: 963 Euro).
Gesundheit: Migranten ab einem Alter von 45 Jahren sind häufiger krank als die Mehrheitsbevölkerung, ältere Migrantinnen häufiger stark übergewichtig. Vor allem türkischstämmige Menschen leiden in der zweiten Lebenshälfte häufiger unter körperlichen Schmerzen.
Zufriedenheit: Migranten sind mit ihrem Leben insgesamt zufriedener als die Mehrheitsbevölkerung. Für die Zukunft erwarten Migranten eine Lebenszufriedenheit von 7,6 auf einer Skala bis zehn (ohne Migrationshintergrund liegt der Wert bei rund sieben). Menschen der zweiten Migranten-Generation gaben einen Zufriedenheitswert von 8,3 an (jüngere Menschen ohne Migrationshintergrund: 8).
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