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Montag, 2. Mai 2016

Berliner Wende

BERLIN/MÜNCHEN. Wie schnell sich die Zeiten ändern: Wohl kein deutscher Politiker symbolisiert den Schlingerkurs der Regierung in der Flüchtlingskrise so sehr wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Vor knapp vier Wochen gab der CDU-Mann angesichts des abebbenden Flüchtlingsandrangs fast schon Entwarnung: "Wenn die Zahlen so niedrig bleiben, würden wir über den 12. Mai hinaus keine Verlängerung der Grenzkontrollen durchführen." Nun also die Wende: Die Lage bleibt ernst, und Deutschland macht "mit Sorge" Druck für weitere Kontrollen bis Mitte November.
Obwohl der einstige Asylbewerberzustrom nach Abriegelung der Balkanroute weiterhin nur noch ein Tröpfeln ist, wird de Maizière heute einen brisanten Brief gen Brüssel schicken. Die EU-Kommission möge doch bitte dem Europäischen Rat "einen Vorschlag zur Aktivierung des Krisenmechanismus des Schengener Grenzkodexes" vorlegen. Mit anderen Worten: Deutschland und seine Mitstreiter Frankreich, Österreich, Belgien, Dänemark und Schweden wollen erreichen, dass mit Blick auf mögliche neue Flüchtlingsbewegungen über Libyen und Italien Grenzkontrollen weiterhin möglich sind. Die Chancen in Brüssel sollen gut stehen, erfuhr die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Schon am Freitag hatte de Maizière klargemacht, dass vom wochenlangen Streit mit Österreich wegen der plötzlich rigiden Wiener Grenzpolitik nicht mehr viel übrig ist. Der deutsche Minister und sein neuer österreichischer Amtskollege Wolfgang Sobotka riefen stattdessen Rom auf, wirksame Maßnahmen zur Eindämmung des Flüchtlingszuzugs übers Mittelmeer zu ergreifen. "Was jetzt ansteht, ist zu allererst eine italienische Aufgabe", sagte de Maizière. Und fügte hinzu: "Der Streit, den es gab, ist erledigt." Den Hauptgrund für die neue Einigkeit zwischen Berlin und Wien bei der Grenzsicherung umriss am Wochenende der UN-Libyen-Gesandte Martin Kobler. Im ersten Quartal 2016 seien schon 24 000 Menschen aus dem Bürgerkriegsland Libyen nach Europa aufgebrochen. "Wenn man das hochrechnet, dann kommen dieses Jahr sicher mindestens 100 000 Menschen über das Mittelmeer", sagte der UN-Diplomat. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini befürchtete kürzlich sogar, dass sich mehr als 450 000 Flüchtlinge aus Libyen auf den gefährlichen Seeweg über das Mittelmeer machen könnten. De Maizière verkauft eine mögliche Verlängerung der Grenzkontrollen durch Brüssel als "klares Zeichen europäischer Handlungsfähigkeit". Eine Position, die in München mit grimmiger Genugtuung geteilt wird. "Das ist ein voller Erfolg für unsere bayerische Position", sagt etwa Landesinnenminister Joachim Herrmann (CSU). Statt einer Einstellung der Grenzkontrollen stünden nun Verhandlungen mit dem Bund über eine Ausweitung an. Herrmanns Chef, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), dürfte sich beim Rückblick auf die vergangenen acht Monate gleich doppelt bestätigt fühlen. Die Flüchtlingskrise hat einerseits zum Absturz der CDU von Kanzlerin Angela Merkel in den Umfragen geführt - und zum Aufschwung der rechtspopulistischen AfD, vor dem der CSU-Chef bereits im Sommer 2015 gewarnt hatte. Andererseits haben sich Merkel und die schwarz-rote Bundesregierung inzwischen in eine Richtung bewegt, die die CSU von Beginn an forderte. Das Asylrecht wurde gleich zweimal verschärft, und die Kanzlerin spricht seit Wochen hauptsächlich von einer Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Merkel sagte den Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU aus Bund und Ländern schon vor zwei Wochen, dass es nie wieder zu einem solch enormen Asylbewerberandrang nach Deutschland kommen werde wie im Vorjahr, wie anschließend aus der Union zu erfahren war. Auch am Wochenende betonte die Kanzlerin das Mantra von der "Teilung der humanitären Verpflichtungen" in Europa. Von Abschottung war nicht die Rede, vielmehr blieb Merkel bei ihrem Zweiklang: Sie habe sich entschieden, "dafür zu kämpfen, dass wir unsere Außengrenzen schützen können, dass wir den Raum der Reisefreiheit, der Bewegungsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit behalten". Denn falls jedes Land wieder Grenzen hochziehe, habe das auch Folgen für die Wirtschaft. Aus Sicht Seehofers und der CSU hätte Merkel politische Flurschäden vermeiden können - wenn sie schon im vorigen Sommer auf eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen gedrängt hätte, die die Regierung inzwischen so energisch verfolgt. Dies wird der Bayer der ihm so fremd gewordenen Kanzlerin wohl auch am nächsten Wochenende wieder sagen - diesmal persönlich, bei einem Unions-Krisentreffen in Berlin. (dpa)

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