BRÜSSEL. 5407 Kilometer liegen zwischen der afghanischen Hauptstadt Kabul und Brüssel. Es ist der Graben zwischen diesen beiden Welten, der auch die Konferenz der Geberstaaten am Dienstag in Brüssel überschattete. Im Zentrum der EU gab sich Präsident Aschraf Ghani alle Mühe, von Fortschritten im Kampf gegen die aufständischen Taliban zu berichten. "Die EU ist geografisch weit weg von Afghanistan, hat aber ein extrem starkes Interesse daran, dass das Land Stabilität und Frieden findet", versuchte die Außenbeauftragte der Union, Federica Mogherini, einen Brückenschlag.
Vertreter von 70 Ländern waren nach Brüssel gekommen. Am Ende gab es Zusagen über mehr als 14 Milliarden Euro, verteilt auf vier Jahre. Die Europäer steuern alleine 200 Millionen Euro pro Jahr bei, was über die gesamte Finanzperiode von 2014 bis 2020 rund 1,4 Milliarden Euro macht. "Das Land hängt am Tropf der internationalen Gemeinschaft", sagte ein EU-Diplomat. Wenn sich nicht alle beteiligen ist Afghanistan nicht zu retten."
Eine internationale Aufgabenteilung gibt es längst. Während sich die EU und die Geberländer um den Wiederaufbau kümmern, sind die Nato und die Vereinigten Staaten für Training und Ausbildung der einheimischen Truppen zuständig. Vor allem die US-Luftwaffe unterstützt die Spezialsicherheitskräfte Kabuls bei Einsätzen wie seit jenem Sonntag in Kundus. Doch von einer Lösung oder Befriedung kann keine Rede sein. In 31 der 34 Provinzen kommt es immer wieder zu Kämpfen, vor denen die Menschen fliehen müssen. Auch nach Europa. Dass die EU es dennoch gewagt hat, am Wochenende mit der afghanischen Seite ein Abkommen über die Rückführung von Flüchtlingen abzuschließen, empört vor allem viele Menschenrechtsorganisationen.
Das Land sei "alles andere als sicher", betonte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burckhardt am Dienstag in Brüssel. Die Grünen-Europaabgeordnete Barbara Lochbihler warf der EU sogar vor, es sei "verantwortungslos, dass die europäischen Mitgliedstaaten nun 80 000 afghanische Asylbewerber abschieben wollen." Damit nutze die Gemeinschaft die finanzielle Abhängigkeit des Staates am Hindukusch "eiskalt aus".
Offizielle Vertreter der Union wiesen die Zahl zurück und betonten, dass in den kommenden sechs Monaten "maximal 50 Flüchtlinge pro Flug" zurückgebracht werden sollen. Außerdem wolle man alleinstehenden Frauen, älteren und kranken Hilfesuchenden sowie Kindern ohne Begleitung besonderen Schutz gewähren. Falsch sei auch der Vorwurf, dass die Gelder nur dann ausgezahlt würden, wenn Kabul sich bei der Rücknahme von Flüchtlingen kooperativ zeige.
ANGRIFF AUF KUNDUS
Afghanistans Talibanmilizen demütigten die Regierung in Kabul. Die radikalislamischen Kämpfer stürmten zum Wochenbeginn aus allen Himmelsrichtungen in die nordafghanische Stadt Kundus - so als ob in dem strategisch wichtigen Ort an der Handelsroute Richtung Tadjikastan und den Nordosten Afghanistans keine Verteidigungstruppen stationiert wären. Selbst die Militärberater der Bundeswehr , die seit einigen Monaten auf dem früheren deutschen Stützpunkt beim Flughafen stationiert sind, scheinen von den Vorbereitungen der Talibanmilizen nichts mitbekommen zu haben. Am Dienstag töteten die Taliban in der Provinz Helmand zwölf Polizisten. (gew)
- wie die Politik ein ernsthaftes Problem in unverantwortlicher Weise zur Herausforderung umettikettiert und zur Chance schönredet.
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