Nümbrecht - Christian Schelle leitete die Unterkunft – Im Interview erzählt er über seine Arbeit
Wie war das im Herbst 2015: Wie sind Sie Leiter der Einrichtung geworden?
Das kam alles sehr spontan. Die Malteser Engelskirchen hatten schon ein bisschen Erfahrung beim Aufbau einer Unterkunft in Wuppertal gesammelt. Als Katastrophenschutzeinheit waren wir dann bei der der Einrichtung der Unterkünfte in Oberberg in der Pflicht: im alten VdK-Heim in Marienheide, in der alten Grundschule in Ründeroth, in Bomig, die später vom Deutschen Roten Kreuz betrieben wurden, und in Bierenbachtal.
Gerne zurück im Rettungsdienst ist Christian Schelle. Die Aufgabe als Leiter der Einrichtung ist für ihn erledigt.
Wie hat das geklappt?
In der Anfangsphase war das wie ein ganz normaler Einsatz im Katastrophenschutz – als wenn bei einem Hausbrand Menschen betreut werden müssen. Natürlich herrschte Zeitdruck, aber alle haben wunderbar zusammengearbeitet. Man macht sich gar keine Gedanken darüber, was alles zu tun ist. Aber irgendwie haben wir alles geregelt.
Irgendwann stand fest, dass Sie als Malteser die Einrichtung in Bierenbachtal übernehmen. Und es gab negative Schlagzeilen: Sie mussten eine ganze Reihe von Essen wegwerfen.
Ja, das waren Anlaufschwierigkeiten. Dabei hatten wir eigentlich sogar ein bisschen mehr Zeit als anderswo, weil in Bierenbachtal erst noch die Trinkwasserleitung gespült und der Brandschutz geregelt werden musste.
Warum gab es trotzdem die Probleme?
Weil es mit der Zuteilung der Menschen schwierig lief. Ein Beispiel: Wir erhalten die Nachricht „Morgen bekommt Ihr 300 Flüchtlinge“. Die müssen untersucht und versorgt werden. Also hält man Helfer und das Essen bereit. Und dann bekommen sie am nächsten Tag abends die Nachricht, dass wohl doch niemand mehr kommt.
Haben Sie sich geärgert, dafür vor Ort den Kopf hinhalten zu müssen?
Man findet sich damit ab – und irgendwann habe ich es auch einfach mit Humor genommen. So ein Chaos macht ja keiner bewusst. Diejenigen, die uns informiert haben, haben das ja nicht mit Absicht gemacht. Sie wussten es einfach nicht. Trotzdem ärgert man sich, wenn man zum Beispiel hört: „In Bayern ist ein Bus mit etwa 100 Flüchtlingen für euch losgefahren, der Busfahrer meldet sich bei euch.“ Und der meldet sich dann nicht und steht anstatt um 20 Uhr – wie geplant – nachts um 1 Uhr einfach vor der Tür.
Man findet sich damit ab – und irgendwann habe ich es auch einfach mit Humor genommen. So ein Chaos macht ja keiner bewusst. Diejenigen, die uns informiert haben, haben das ja nicht mit Absicht gemacht. Sie wussten es einfach nicht. Trotzdem ärgert man sich, wenn man zum Beispiel hört: „In Bayern ist ein Bus mit etwa 100 Flüchtlingen für euch losgefahren, der Busfahrer meldet sich bei euch.“ Und der meldet sich dann nicht und steht anstatt um 20 Uhr – wie geplant – nachts um 1 Uhr einfach vor der Tür.
Hat sich das im Laufe der Zeit verändert?
Ja, am Ende lief alles koordiniert. Aber da waren es ja auch viel weniger Flüchtlinge. Und das mit dem Essen haben wir auch schnell geregelt: Wir konnten für den Tag der Ankunft selbst kochen.
Wie haben Sie die Flüchtlinge erlebt?
Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, sie haben mir ihre Geschichte erzählt, und ich kann eines sagen: Da war niemand dabei, der zu Hause von seinem Sofa aufgestanden ist, den Flachbildfernseher ausgemacht und losgelaufen ist, weil es ihm hier eventuell besser gehen könnte. Was man da hört, möchte man nicht selbst erleben. Natürlich waren da auch Idioten drunter, aber dennoch wussten wir immer, warum wir das machen.
Gab es in Bierenbachtal kulturelle Probleme?
Nein, wir hatten keine Auffälligkeiten wie anderswo – und auch bei uns gab es Frauen, die das Essen ausgegeben haben. Natürlich gab es schon mal Spannungen – zum Beispiel wenn ein Mitarbeiter plötzlich einen Raum betritt, und die Frau, die sich dort befindet, hat gerade ihr Kopftuch nicht an. Aber wir haben alles immer in aller Ruhe klären können.
Hat sich nach Vorkommnissen in Köln in der Silvesternacht etwas geändert an der Wahrnehmung Ihrer Arbeit?
Davon haben wir hier nichts bekommen. Ja, wir hatten eine Mitarbeiterin, die in Köln lebt und selbst einen Migrationshintergrund hat: Die hat uns schon geschildert, dass die Stimmung sich dort verändert hat. Doch mich hat niemals jemand in meiner Umgebung blöd angeguckt, wenn ich erzählt habe, was ich mache.
Und was machen Sie jetzt?
Ich bin wieder im Rettungsdienst in Wipperfürth und Hückeswagen unterwegs.
Würden Sie noch einmal so eine Aufgabe übernehmen?
Ganz ehrlich: Nein. Mein Fazit lautet: Schön, dass ich es gemacht habe, aber bitte nicht noch mal. Irgendwann hatte ich als Leiter der Einrichtung Aufgaben wie ein Herbergsvater – mit allem an Verwaltung, was dazu gehört. Und das ist einfach nicht mein Ding.
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