DRESDEN. Hunderte Polizisten suchen fieberhaft in ganz Deutschland nach Dschaber A. - am Ende sind es drei Landsleute des Syrers, die den Terrorverdächtigen in der Nacht zum Montag überwältigen. "Der Tatverdächtige ist uns im gefesselten Zustand übergeben worden", schildert der Präsident des sächsischen Landeskriminalamts, Jörg Michaelis, das Ende einer der größten Fahndungsmaßnahmen der jüngsten Zeit in Deutschland. A. suchte Schutz bei den Syrern - doch diese gingen zur Polizei.
Wie nah ein möglicher Anschlag bevorstand, ist wenige Stunden nach der Festnahme des 22-Jährigen noch unklar. Weder die Bundesanwaltschaft noch Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) äußern sich zu Erkenntnissen über ein mögliches Anschlagsziel. Berichte, wonach einer der Berliner Flughäfen Tegel oder Schönefeld Tatort werden sollte, können sie nicht bestätigen.
Dafür gibt es aber in dem Sprengstoff, der in der von A. zuletzt genutzten Wohnung gefunden wurde, eine Parallele, die erschaudern lässt. Der am 19. Februar vergangenen Jahres in einer Erstaufnahmeeinrichtung in München als Flüchtling erstmals in Deutschland registrierte A. verfügte wohl über TATP. "Diese Art würde dem verwendeten Sprengstoff bei den Attentaten von Paris und Brüssel entsprechen", sagt LKA-Präsident Michaelis. Die Substanz sei hochexplosiv.
Vor allem der Sprengstoff, dazu aber auch A.s Verhalten, nähren bei den deutschen Ermittlern den Verdacht, dass es eine Verbindung zur Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gibt. A. könnte geplant haben, eine Sprengstoffweste zur Detonation zu bringen - dies würde für einen möglichen geplanten Selbstmordanschlag sprechen. Mitte September gab es laut Michaelis erste vage Hinweise. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist dafür verantwortlich, auch der Bundesnachrichtendienst und Landesämter für Verfassungsschutz sind früh mit im Boot. Ob die ersten Hinweise auf den nun als Hauptverdächtigen geführten A. zurückgehen, ist unklar.
Womöglich verhielt sich auch der bereits am Wochenende festgenommene 33 Jahre alte Syrer Khalil A. zu auffällig. Er soll Dschaber A. seine Wohnung überlassen und diesem auch die Inhaltsstoffe des Sprengstoffs im Internet besorgt haben. Seit dem ersten vagen Verdacht stellten die Ermittler wie auch vorher etwa bei den Attentätern von Ansbach und Würzburg eine schnelle Radikalisierung fest. Ab Anfang dieses Monats recherchierte A. laut Bundesanwaltschaft nach Anleitungen zur Herstellung von Sprengstoffvorrichtungen und Ausrüstungsgegenständen für den Dschihad. Damit verging gerade eine Woche von den Recherchen bis zum Fund der anderthalb Kilogramm Sprengstoff.
Weil es die Erkenntnisse über die Fertigstellung des Sprengstoffgürtels gab, gingen die Ermittler ab Freitag in die Offensive. Der Wohnblock in Chemnitz wurde observiert, dazu eiligst ein großes Polizeiaufgebot zusammengezogen - mit verschiedenen Polizeibehörden und allein aus Sachsen über 700 Polizisten im Einsatz.
Dennoch gelang es am frühen Samstagmorgen einem Mann, aus dem Wohnblock zu entkommen. Ob es A. war, steht noch nicht definitiv fest. Auch nicht, wie er nach Leipzig kam, ob es ihm etwa gelang, trotz der Großfahndung unbehelligt Kontakt zu seinen Landsleuten aufzunehmen.
Nähere Informationen zu den Landsleuten will die Polizei nicht veröffentlichen - zu deren Schutz. Sie scheinen aber unerschrocken vorgegangen zu sein. Als sie erfuhren, dass A. gesucht wurde, überwältigten die Syrer den Terrorverdächtigen. Zwei bewachten ihn, einer ging zur nächsten Polizeiwache. Er habe den Beamten gesagt, dass sie doch bitte in ihre Wohnung kommen sollten, schildert Michaelis - "was wir auch unverzüglich getan haben". (afp)
SICHERHEITSDEBATTE
Die Anschlagspläne von Chemnitz haben eine neue Sicherheitsdebatte in Deutschland entfacht. Mehrere Unionspolitiker forderten nach der Festnahme eines 22-jährigen Terrorverdächtigen, der als Flüchtling nach Deutschland kam, eine engere Zusammenarbeit zwischen Geheimdiensten und Asyl-Behörden . Die verantwortlichen Innenpolitiker lobten die Arbeit der Sicherheitsbehörden, die vermutlich einen schweren Anschlag verhindert haben. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat unterdessen weitere Pläne für verschärfte Abschieberegelungen für sogenannte Gefährder auf den Weg gebracht.
Um Gefährdungen zu vermeiden, forderten Unionspolitiker einenbesseren Informationsaustausch der Behörden . (epd)
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